Aktuell in der AfP

Wie Algorithmen Öffentlichkeit strukturieren (Lischka, AfP 2018, 388)

Die Reihenfolge der Nachrichten im Newsfeed sozialer Netzwerke, die Abfolge der automatisch gespielten Clips auf der Videoplattform: Algorithmische Prozesse strukturieren heute digitale Öffentlichkeit. Die Sortierentscheidungen sind automatisiert, doch die Optimierungsziele, Messwerte und Verfahren haben Menschen gestaltet. Vieles spricht dafür, dass Plattformen eine neue Form redaktioneller Gewichtung und Sortierung vornehmen.

I. Grundlagen

1. Publikumsreaktionen

2. Intermediäre

3. Captology

II. Folgen

III. Lösungsansätze
 

I. Grundlagen
Sieht man sich heute in einem Zug um, fällt der Strukturwandel der Öffentlichkeit ins Auge. Vor 12 Jahren, 2006, ein Jahr vor der Vorstellung des ersten iPhones, saßen da Menschen mit aufgeschlagenen Magazinen, Zeitungen und Büchern. Heute sitzen dort vor allem Passagiere, die auf die Bildschirme von Smartphones und Tablets schauen. 2007 ist der Scheidepunkt, die Mediennutzung ändert sich seitdem quantitativ und qualitativ grundlegend. Es ist ein gradueller Strukturwandel, deswegen ist es leicht, die Qualität zu unterschätzen.

Ein genauer Vergleich der Pendler vor und nach 2007 zeigt diese wesentlichen Veränderungen:

1. Publikumsreaktionen
Publikumsreaktionen lassen sich komplett und fortwährend analysieren und sofort als Grundlage von personalisierter Sortierung nutzen.

Die Menschen tippen und wischen, sie interagieren fortwährend mit Inhalten. Und zwar nicht wie beim Papier mit Hardware-Interface, sondern mit einem Software-Interface. Die Sortierung der Inhalte kann für jeden Nutzer eine andre sein, Software personalisiert und fördert und erfasst unterschiedliche Interaktionen. Personalisierung funktioniert auf Basis fortwährender Verhaltensüberwachung. Bei Printmedien maß man Auflagen- und Abozahlen. Software kann ständig Reaktionen des gesamten Publikums auf jedes einzelne Element erfassen. Was wird aufgerufen, wie lange verweilen die Menschen bei welchen Beiträgen?

2. Intermediäre
Diese Personalisierung, Sortierung und Gewichtung von Inhalten nehmen neue Intermediäre vor. Sie sind hochkonzentriert: Sehr wenige und sehr reichweitenstrake Organisationen vermitteln heute gewichtend zwischen Medien, Publikum und anderen Akteuren.

Vor 2007 sah der Medienkonsum so aus, dass es für jede Zeitung, jedes Magazin und alle empfangbaren Radiosender unterschiedliche Hardware gab. Heute gibt es ein Gerät mit einem Touchscreen, einem Betriebssystem, einem App-Store und in den allermeisten Nutzungsfällen einem sozialen Netzwerk, einer Suchmaschine, einem Videoportal. Wenige Dienste wie Facebook, YouTube, Twitter oder Google vermitteln Zugang auf diesen Geräten, Zugang zu einzelnen Beiträgen. Es gibt in der digitalen Sphäre weniger und ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.10.2018 11:45
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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