EuGH, C-622/17: Schlussanträge des Generalanwalts vom 28.2.2019

Verbannung eines Hass schürenden ausländischen Fernsehkanals in kostenpflichtige Programmpakete zulässig

Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, eine Maßnahme zu erlassen, mit der die Verpflichtung aufgestellt wird, einen ausländischen Fernsehkanal nur in kostenpflichtigen Fernsehprogrammpaketen auszustrahlen oder weiterzuverbreiten, um die Verbreitung von Informationen, mit denen beim Publikum dieses Staates Hass geschürt wird, über diesen Kanal zu beschränken. Eine solche Maßnahme ist auch mit der in Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Dienstleistungsfreiheit vereinbar.

Der Sachverhalt:

Die im Vereinigten Königreich registrierte klagende Gesellschaft "Baltic Media Alliance" strahlt den Fernsehkanal NTV Mir Lithuania aus. Dabei handelt es sich um einen ausschließlich für litauisches Publikum bestimmten Kanal, dessen Programme mehrheitlich in russischer Sprache sind. Im Mai 2016 erließ die beklagte litauische Radio- und Fernsehkommission (RFKL) nach litauischem Recht eine Maßnahme, mit der Wirtschaftsteilnehmer, die im Wege von Kabelfernsehen oder Internet Fernsehkanäle an litauische Verbraucher verbreiten, für einen Zeitraum von zwölf Monaten dazu verpflichtet wurden, den Kanal NTV Mir Lithuania nur noch in kostenpflichtigen Fernsehprogrammpaketen zu verbreiten.

Diese Entscheidung der Beklagten beruhte darauf, dass ein im April 2016 über den fraglichen Kanal ausgestrahltes Programm Informationen enthalten habe, die zu Feindschaft und Hass aufgrund der Staatsangehörigkeit gegenüber den baltischen Staaten aufgestachelt hätten. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Das mit der Sache befasste litauische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Gründe:

In seinen heutigen Schlussanträgen vertritt Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe die Auffassung, dass die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (Richtlinie 2010/13), nach der die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, den freien Empfang zu gewährleisten und nicht - aus Gründen wie der Aufstachelung zu Hass - die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet zu behindern, dem Erlass einer solchen Maßnahme durch die Republik Litauen nicht entgegensteht.

Die Richtlinie hindert den Empfangsmitgliedstaat nicht daran, bestimmte Modalitäten für die Verbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten zu regeln. Der Empfangsstaat kann so von Wirtschaftsteilnehmern, die Fernsehkanäle verbreiteten, aus Gründen des Allgemeininteresses verlangen, dass sie ihre Angebote derart gestalten, dass bestimmte Kanäle nur in besonderen Paketen enthalten sind. Solche Maßnahmen behindern nicht die Weiterverbreitung oder den Empfang der betreffenden Kanäle an sich. Diese können unter Berücksichtigung dieser Modalitäten stets verbreitet werden, und die Verbraucher können diese Kanäle rechtmäßig sehen, soweit sie ein geeignetes Paket abonnieren.

Im Übrigen ist die von der Beklagten gegenüber dem Fernsehkanal NTV Mir Lithuania erlassene Maßnahme mit der in Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Diese Maßnahme erscheint gerechtfertigt und verhältnismäßig. Insoweit hat die Republik Litauen durch eine zumutbare Maßnahme berechtigterweise versucht, im Zusammenhang mit einem Informationskrieg, dem die baltischen Staaten ausgesetzt sind, den litauischen Informationsraum gegen russische Propaganda zu schützen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.03.2019 12:13
Quelle: EuGH PM Nr. 23 vom 28.2.2019

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