Aktuell in der AfP

Google ist nicht der richtige Gegner, aber manchmal der einzige - Rechtsschutzlücken bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet - Umgang mit anonymen Behauptungen (Grisse, AfP 2019, 189)

Nach der Rechtsprechung des BGH sind Betreiber von Suchmaschinen nur verpflichtet, offensichtliche Rechtsverletzungen aus ihren Suchergebnislisten herauszunehmen. Bei ehr- und reputationsschädigenden Behauptungen stellt das die Betroffenen vor Probleme. Dieser Beitrag betrachtet das Problem anonymer ehr- und reputationsschädigender Äußerungen und erörtert, warum der Zugriff auf mittelbar Verantwortliche in solchen Konstellationen unerlässlich ist.

I. Szenario

II. Rolle und Inanspruchnahme der Suchmaschinenbetreiber

III. Deutsche Rechtsprechung zu Löschpflichten von Suchmaschinenbetreibern bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen

IV. Hürden für Hinweise auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen bei anonymen unwahren Tatsachenbehauptungen

1. Ehr- und Reputationsschutz vs. Äußerungsfreiheit

2. Nachweis der Unwahrheit

3. Drohende Schutzlücke

V. Schließung der Schutzlücke

1. Berücksichtigung anerkannter äußerungsrechtlicher Grundsätze

a) Darlegungs- und Beweiserleichterungen

b) Schutz durch Sorgfaltspflichten des sich  Äußernden

c) Fazit

2. Rechtfertigung der Zweifelsentscheidung zugunsten des Persönlichkeitsschutzes bei Anonymität der Äußerung

a) Schutz anonymer Äußerungen und der  Anonymität

b) Gewicht anonymer Äußerungen

3. Interessenabwägung im Rahmen der mittelbaren Störerhaftung des Suchmaschinenbetreibers

a) Berücksichtigung äußerungsrechtlicher  Grundsätze und der Anonymität

b) Keine unangemessene Einschränkung der  Äußerungsfreiheit

c) Keine unzumutbare Belastung des Suchmaschinenbetreibers: Anforderungen an den Hinweis

VI. Beurteilung der Deindexierung nach Art. 17 DSGVO

VII. Fazit


I. Szenario

Will jemand einer unliebsamen Person oder einem unbequemen Wettbewerber schaden, eignet sich ein Rufmord im Internet dafür hervorragend. Anders als die traditionellen Medien bietet das Internet jedem eine Plattform, um Behauptungen – zutreffende oder unzutreffende – an die Öffentlichkeit zu bringen. Das Internet bietet sich dafür auch deshalb besonders an, weil es Anonymität gewährleistet und die sich Äußernden kaum Konsequenzen fürchten müssen. Ohne weiteres lässt sich z.B. eine Website einrichten, deren Serverstandort und Hostprovider sich mithilfe von Anonymisierungsdiensten verbergen lassen. Ausländische Top-Level-Domains, die von fragwürdigen ausländischen Unternehmen vertrieben werden, stellen sicher, dass der Betreiber der impressumslos betriebenen Website kaum ermittelbar ist.

Der Rufmord gelingt am besten, wenn Gerüchte in die Welt gesetzt werden, die wahr sein könnten, wenn also Behauptungen aufgestellt werden, die nicht völlig absurd erscheinen. Hilfreich ist es auch, Dinge zu behaupten, deren Unwahrheit der Betroffene nicht ohne weiteres belegen kann. Besonders effektiv wird das Ganze, wenn man die ruf- oder geschäftsschädlichen Behauptungen nicht nur auf einer Internetseite platziert, sondern gleich auf mehreren; wenn man auf den massenhaft vorhandenen, sich als Nachrichtenplattformen gerierenden Internetseiten, ohne oder mit falschem Impressum, Artikel verfasst und diese untereinander referenziert. Das erhöht die Glaubwürdigkeit und sorgt dafür, dass gleich mehrere Einträge in den Ergebnislisten von Suchmaschinen auftauchen, wann immer jemand nach dem Namen oder der Firma des Betroffenen sucht. Suchmaschinen sorgen dafür, dass solche Inhalte aufgefunden werden.

Sind Website- oder Plattformbetreiber sowie der Hostprovider nicht greifbar, hat der Betroffene keine Möglichkeit, die ihn schädigenden Behauptungen beseitigen zu lassen. Weder kann er durch Auskunftsansprüche die Identität des Äußernden herausfinden, noch kann er über eine Störerhaftung des Hostproviders die Löschung der Äußerungen erreichen. Juristisch und faktisch fehlt ihm der Gegner. Eine Klage gegen Unbekannt oder allein gegen einen Domainnamen kennt das deutsche Recht nicht. Auch an die Anonymisierungsdienste ist nicht leicht heranzukommen. Eine Strafanzeige hilft meist ebenfalls nicht weiter. Strafverfahren gegen Unbekannt werden in der Praxis schnell eingestellt. Den Ermittlungsbehörden ist der Ermittlungsaufwand in den hier geschilderten Fällen in der Regel zu hoch und die Wahrscheinlichkeit des Ermittlungserfolgs dürfte meist gering sein.

Dem Betroffenen wäre geholfen, wenn er zumindest erreichen könnte, dass die Inhalte nicht über Suchmaschinen aufgefunden werden. Damit sind sie zwar noch immer im Internet, wären aber weniger sichtbar.

II. Rolle und Inanspruchnahme der Suchmaschinenbetreiber
Suchmaschinen sind für die Nutzbarkeit des Internets und seiner Informationsfülle unerlässlich. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass Inhalte für Internetnutzer auffindbar und zugänglich werden. Suchergebnislisten geben einen guten Überblick über ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.06.2019 17:50
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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