Aktuell in der AfP

Presserechtliche Informationsschreiben: Rechtliche Einordnung, Abwehransprüche und Kosten (Alexander, AfP 2019, 198)

Presserechtliche Informationsschreiben (auch: presserechtliche Warnschreiben oder „Brandbriefe“) haben einige Verbreitung gefunden. Aus Anlass einer aktuellen Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 15.1.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40) nimmt dieser Beitrag eine rechtliche Einordnung der presserechtlichen Informationsschreiben vor und untersucht einige damit verbundene Rechtsfragen.

I. Ausgangsfragen

II. Rechtliche Einordnung des presserechtlichen  Informationsschreibens

1. Abgrenzungsfragen

2. Funktionen und Begriffsbestimmung

III. Abwehransprüche des Empfängers bei unerwünschter Zusendung

1. Lauterkeitsrecht

2. Allgemeines Deliktsrecht

a) Schutzbereich des Rechts am Unternehmen

b) Rechtswidrigkeit des Eingriffs und Interessenabwägung

c) Kritische Würdigung

d) Verantwortlichkeit

IV. Kosten für ein presserechtliches Informationsschreiben

1. Anspruch gegen den Veranlasser?

2. Anspruch gegen den Empfänger?

V. Zusammenfassung
 

I. Ausgangsfragen
1
Der Versand presserechtlicher Informationsschreiben ist gesetzlich nicht geregelt. Die Schreiben entstanden aus der Medienrechtspraxis heraus und haben inzwischen mehrfach die Gerichte beschäftigt. Typischerweise folgen presserechtliche Informationsschreiben als Reaktion auf eine redaktionelle Berichterstattung, die von dem Betroffenen und dessen Anwalt als unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen angesehen wird. Das presserechtliche Informationsschreiben soll verhindern, dass diese Berichterstattung von anderen Medien aufgegriffen und die Rechtsverletzung damit intensiviert wird.

2
Exemplarisch für diese Ausgangslage ist der Sachverhalt des aktuellen BGH-Streitfalls: In der Zeitschrift BUNTE war über einen bekannten Musiker und seine Lebensgefährtin berichtet worden. Eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit medienrechtlichem Schwerpunkt, die den Musiker vertrat, versendete daraufhin an die FAZ ein presserechtliches Informationsschreiben. Dieses wies in allgemeiner Form auf die Unzulässigkeit der Berichterstattung über den Betroffenen in der Zeitschrift hin. Bereits im Vorfeld hatte die FAZ wiederholt aus Anlass anderer Berichterstattungen presserechtliche Informationsschreiben von der Rechtsanwaltsgesellschaft erhalten. Vor diesem Hintergrund kam es zwischen den Anwälten und der Zeitung zu einem Schriftwechsel, in welchem die FAZ die Anwälte aufforderte, die Zusendung von presserechtlichen Informationsschreiben zu unterlassen, was diese jedoch ablehnten.

3
Ein presserechtliches Informationsschreiben zielt im Grunde auf eine vorbeugende Abwehr von möglichen Angriffen auf das Persönlichkeitsrecht, allerdings auf einer unsicheren Grundlage. Wer von einer persönlichkeitsverletzenden Berichterstattung betroffen ist, wird von seinem Rechtsanwalt berechtigterweise erwarten, dass dieser alle Schritte unternimmt, um die nachteiligen Auswirkungen zu unterbinden und weitere Nachteile abzuwenden. Dieses Bestreben wird auch von der Erfahrung getragen, dass Berichte über Personen und Ereignisse – gerade bei Prominenten – nicht selten von anderen Medien aufgegriffen werden. Jede neue Berichterstattung kann aber die mögliche Rechtsverletzung noch weiter vertiefen und ausweiten. Das Problem: Ein presserechtliches Informationsschreiben richtet sich gerade nicht gegen den Rechtsverletzer. Es soll den Betroffenen vor einem Geschehen schützen, das noch nicht stattgefunden hat und dessen Eintritt auch noch so ungewiss ist, dass insb. ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zur Abwehr einer Rechtsverletzung nicht besteht.

4
Für die Empfänger der presserechtlichen Informationsschreiben, die Medienunternehmen, mögen solche Schreiben bisweilen nützlich sein, wenn sie berechtigterweise vor einer konkreten Rechtsverletzung warnen. Oft sind sie lästig, weil sie Zeit und Ressourcen binden. Es besteht aber auch die Gefahr, dass Medien von einer eigentlich zulässigen Berichterstattung unter Bezugnahme auf den redaktionellen Vorbericht eines Dritten absehen, weil sie nach dem Erhalt eines presserechtlichen Informationsschreibens ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.07.2019 14:07
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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