Aktuell in der AfP

Informationsbeschaffung der Medien: Gegenüberstellung von presserechtlichen und allgemeinen Informationsansprüchen (Gurlit, AfP 2020, 9)

Die medienrechtlichen Auskunftsansprüche erfahren durch die jüngere Rechtsprechung des BVerwG ein erhöhtes Maß an wissenschaftlicher Aufmerksamkeit. Zugleich stehen die Medien insb. infolge der Internetkommunikation vor neuen Herausforderungen, die ihre informatorisch privilegierte Stellung in Frage stellen. Der Beitrag kontrastiert die medienrechtlichen Informationsansprüche mit dem Informationsrecht nach den Informationsfreiheitsgesetzen.

I. Ausgangssituation

II. Verfassungsfragen

1. Regelungskompetenz

2. Grundrechtliche Fundierung der Informationsansprüche

a) Medienrechtlicher Auskunftsanspruch

b) Allgemeiner Informationsanspruch

III. Anspruchsberechtigung

1. Funktionsbezug als verfassungsgebotenes Abgrenzungskriterium?

2. Von BILD-Zeitung über Spiegel.de zu Microbloggern

3. Im Vergleich: „Funktionsfreiheit“ des allgemeinen Informationszugangsrechts

4. Inklusionsparadoxon

IV. Anspruchsverpflichtung

1. Behörden im System der Staatsfunktionen

2. Personen des Privatrechts als Anspruchs- verpflichtete

V. Verweigerungsgründe

1. Verhältnis der Geheimhaltungsgründe nach IFG und Medienrecht

2. Ausgewählte Problemfelder

a) Auskunftsanspruch gegenüber Nachrichten- diensten

b) Informationszugang im parlamentarischen Raum

3. Unionsrechtsrechtliche Geheimhaltungspflichten als großer Gleichmacher?

a) Information in Verwaltungsverbünden

b) Verschwiegenheitspflichten im Sekundärrecht

VI. Rechtsschutzfragen

1. Rechtsweg

2. Rechtsschutzformen

VII. Fazit


I. Ausgangssituation

1
Als der 6. Senat des BVerwG mit seinem Urt. v. 20.2.2013 dem Landesgesetzgeber die Kompetenz zur Regelung von presserechtlichen Auskunftsansprüchen gegenüber Bundesbehörden absprach und mangels einer bundesrechtlichen Regelung einen auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fußenden verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch kreierte, war die Aufregung im presserechtlichen Schrifttum groß. Die überwiegend ablehnenden Stellungnahmen bezweifelten nicht nur die kompetenziellen Annahmen des Gerichts, sondern sahen auch die Integrität des presserechtlichen Anspruchs durch die Gewähr eines bloßen verfassungsrechtlichen Mindeststandards in Gefahr.

2
Das Schrifttum zum allgemeinen Informationszugangsrecht hatte bis zu diesem Zeitpunkt den presserechtlichen Anspruch zumeist nur beiläufig in den Blick genommen. Die Ansprüche führten eine friedliche Koexistenz in Idealkonkurrenz. Den Vertretern der Presse blieb und bleibt es unbenommen, als „Jedermann“ von dem nicht privilegierten Anspruch nach dem IFG Gebrauch zu machen. Mit dem Paukenschlag des BVerwG und der hieran geäußerten Kritik wurden indessen nicht nur die zuvor kaum diskutierten kompetenziellen Fundamente der Informationsfreiheitsgesetzgebung begründungsbedürftig. Da der 6. Senat für die Bestimmung der Reichweite des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse auch Anleihen bei den Ausnahmetatbeständen des IFG machte, erschien es nicht mehr fernliegend, dass die weitere dogmatische Entfaltung des Informationsfreiheitsrechts unter den durch andere Sachgesetzlichkeiten geprägten Bedürfnissen des Presserechts vorangetrieben werden könnte.

3
In institutioneller Hinsicht wurde durch die Zusammenführung der Entscheidungszuständigkeiten für Presserecht und für das allgemeine Informationsfreiheitsrecht im 10. Senat des BVerwG dafür Sorge getragen, dass allfällige Konfliktlinien innerhalb des Senats mitbedacht werden. Das Gericht lässt sich dabei von der Grundannahme einer „Höherwertigkeit“ der verfassungsrechtlich fundierten medienrechtlichen Auskunftsansprüche leiten, die nicht durch unreflektierte Übernahmen informationsfreiheitsrechtlicher Grundsätze überformt werden dürfe. Auch bei Annahme einer besonderen Dignität der medienrechtlichen Auskunftsansprüche erscheint es reizvoll, diese nach Voraussetzungen, Schranken und Durchsetzungsmechanismen im Lichte des allgemeinen Informationsfreiheitsrechts zu spiegeln. Denn Letzteres stellt sich im Vergleich zu den eher rudimentär ausgestalteten medienrechtlichen Auskunftsansprüchen als recht ausgefeilte Kodifikation dar, die durch einen immensen Korpus an Judikatur und deren umfangreiche wissenschaftliche Begleitung dogmatisch entfaltet wurde.

II. Verfassungsfragen

1. Regelungskompetenz

4
Mit seiner Annahme, dass die Kompetenz des Bundes für die Regelung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs gegenüber Bundesbehörden auf einer Annexkompetenz zu der jeweiligen Sachkompetenz für die Aufgaben der um Auskunft ersuchten Behörden beruht, hat das BVerwG überwiegend Widerspruch geerntet. Dass die Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs nicht im Sinne eines Annexes zwingend durch die Sachkompetenzen gesteuert wird, zeigt sich ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.02.2020 16:17
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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