OLG Hamm v. 15.9.2020 - 29 U 6/20 (Beschluss)

Social-Media-Anbieter darf Hassnachrichten in seinen Nutzungsbedingungen verbieten und Verstöße sanktionieren

Es stellt keinen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit dar, wenn der Betreiber einer Social-Media-Plattform neben rechtswidrigen und strafbaren Inhalten auch sog. Hassrede untersagt und bei Verstoß die Inhalte löscht und das Nutzerkonto zeitweise sperrt.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist registrierter Nutzer der Social-Media-Plattform G, die Beklagte deren Betreiberin. Im Oktober 2018 hatte der Kläger einen Beitrag einer anderen Webseite geteilt, der sich mit einer angeblichen Sachbeschädigung durch einen muslimischen Jungen befasste. Der Artikel richtete sich gegen Flüchtlinge und die diesbezügliche Regierungspolitik und enthielt herabwürdigende Aussagen zu dieser Personengruppe.

Die Beklagte löschte den Post und sperrte das Konto des Klägers für sechs Tage, so dass es für andere nicht mehr sichtbar war und er keine Kommentare und Inhalte mehr verbreiten konnte. Sie berief sich hierbei auf ihre Nutzungsbedingungen, wonach allen Nutzern Aussagen, die bestimmte Personen oder Personengruppen verachten, verunglimpfen oder beschimpfen, verboten sind. Ferner behielt sich die Beklagte nach diesen Bedingungen bei Verstoß geeignete Maßnahmen, wie z.B. die Löschung des Inhalts und die Deaktivierung des Kontos, vor.

Der Kläger klagte daraufhin vor dem LG Arnsberg auf Feststellung, dass die Sperrung rechtswidrig war, Freischaltung des entfernten Beitrags, Unterlassung, Auskunft zu den Hintergründen der Sperre und auf Schadensersatz. Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Dagegen legte der Kläger Berufung ein.

Die Gründe:
Das OLG Hamm hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger hat sich die Aussagen des geteilten Artikels zu eigen gemacht. Ferner ist die Klausel in den Nutzungsbedingungen der Beklagten, die Hassreden verbiete, wirksam und beinhalte keinen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG. Als privates Unternehmen ist die Beklagte nicht direkt an die Grundrechte gebunden. Vielmehr entfalten diese als generelle Werteordnung eine Wechselwirkung, wonach es Aufgabe der Beklagten ist, die kollidierenden Grundrechtspositionen in einen Ausgleich zu bringen. Daraus folgt, dass die Beklagte berechtigt ist, nicht nur rechtswidrige und strafbare Inhalte zum Schutz der Grundrechtspositionen Dritter zu verbieten, sondern auch Regelungen zum Schutz ihrer eigenen Grundrechte nach Art. 12 und 14 GG zu schaffen. Hiernach ist offensichtlich, dass derartige Inhalte ihrem Geschäftsmodell zuwiderlaufen und die Attraktivität der Plattform für Werbetreibende schmälern. Durch die Nutzungsbedingungen werde auch keine bestimmte Meinungsströmung unterbunden oder sachbezogene Kritik verboten, sondern lediglich eine bestimmte Form der Auseinandersetzung durch gewalttätige, entmenschlichende Sprache untersagt.

Die ergriffenen Maßnahmen, Löschung des Inhalts und vorübergehende Sperre des Nutzerkontos, orientierten sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und waren auch daher nicht zu beanstanden.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.10.2020 11:57
Quelle: Dr. Karolin Nelles LL.M., Kanzlei Schindhelm Frankfurt a.M.

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