LG Frankenthal 8.9.2020, 6 O 23/20

Hassrede: Facebook-Beitrag darf vorübergehend gelöscht und Nutzerkonto gesperrt werden

Facebook darf bei einem Verdacht auf Verbreitung einer Hassrede (“Hate Speech“) einen Beitrag vorübergehend löschen und den Nutzer so lange sperren, bis der Verdacht geklärt ist. Eine schnelle Reaktion bei verdächtigen Beiträgen hat Vorrang vor den Nutzerinteressen.

Der Sachverhalt:
Der klagende Facebook-Nutzer aus Ludwigshafen hatte im Oktober 2019 den Beitrag eines Satiremagazins geteilt. In diesem wurde unter der Überschrift: „Schrecklicher Verdacht: War Hitler ein Gamer?“ ein Foto von Adolf Hitler gezeigt, der auf einem Sofa sitzt und scheinbar den Controller einer Spielekonsole in der Hand hält. Facebook löschte den Beitrag kurzfristig und sperrte den Nutzer vorübergehend unter Hinweis auf seine Gemeinschaftsstandards. Danach kann Facebook insbesondere dann in die Konten seiner Nutzer eingreifen, wenn „Hate Speech“ geteilt wird oder durch Beiträge Hassorganisationen unterstützt werden.

Obwohl Facebook noch am selben Tag den Beitrag wiederhergestellt und das Profil des Nutzers erneut aktiviert hatte, wollte der Kläger gerichtlich festgestellt wissen, dass das Vorgehen des Plattformbetreibers rechtswidrig war. Außerdem forderte er Schmerzensgeld i.H.v. 1.500 €. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt hat.

Die Gründe:
Facebook ist dazu berechtigt, durch seine wirksamen Gemeinschaftsstandards, Beiträge zu überprüfen und Nutzerkonten zu deaktivieren, wenn durch die Inhalte die Standards verletzt werden.  Dies gilt auch bei einem bloßen Verdacht auf einen Verstoß, der sich später nicht bewahrheitet: Im Rahmen einer ersten Überprüfung besteht insofern ein gewisser Ermessensspielraum, ohne dass dies im Fall einer fehlerhaften Einschätzung gleich weitere Rechtsfolgen nach sich zieht.

Im konkreten Fall hatte der Kläger den Beitrag des Satiremagazins kommentarlos geteilt und sich vom Inhalt auch nicht distanziert. Deshalb hat Facebook daraufhin bei einer ersten Prüfung auf eine Unterstützung der Ziele von Adolf Hitler bzw. der Nationalsozialisten als terroristischer Vereinigung schließen können. Der Nutzer hat durch sein Verhalten ein Eingreifen selbst veranlasst. Eine schnelle Reaktion bei verdächtigen Beiträgen hat Vorrang vor den Nutzerinteressen.

Infolgedessen steht dem Kläger auch kein Schmerzensgeld zu. Insofern war schon nicht ersichtlich, wieso die Sperrung des Nutzerkontos für ein paar Stunden einen Wert von 1.500 € begründen sollte. Im Übrigen kommt der Nutzung des sozialen Netzwerks bei einer Privatperson bereits kein Vermögenswert zu.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.10.2020 17:17
Quelle: LG Frankenthal PM vom 28.10.2020

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