OLG Celle v. 7.12.2020 - 13 W 80/20

Bewertungsportal: Zulässigkeit einer Auskunft des Diensteanbieters über personenbezogene Daten des Nutzers

Äußerungen in einem Portal zur Bewertung von Arbeitgebern, ein Unternehmen zahle teilweise kein Gehalt bzw. – wenn Angestellte das Gespräch suchten – nur 10 % des vereinbarten Gehalts, stellen Tatsachenbehauptungen dar, welche deren Kredit zu gefährden geeignet sind. Dies stellt eine Kreditgefährdung nach § 187 Alt. 3 StGB dar. Voraussetzung ist insoweit die Eignung der Äußerung, das Vertrauen in die Fähigkeit oder in die Bereitschaft des Betroffenen zur Erfüllung vermögensrechtlicher Verbindlichkeiten zu erschüttern.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der IT-Branche mit derzeit etwa 25 Mitarbeitern. Die Beteiligte betreibt ein Internetportal zur Bewertung von Arbeitgebern. Darin waren unter der Verfasserbezeichnung „Mitarbeiter“ zwei negative Bewertungen betreffend die Antragstellerin abgegeben worden. In einer Bewertung war in der Überschrift u.a. angegeben: „Gehalt kommt nicht pünktlich, Telefone gesperrt wegen offener Rechnungen“. Als „Verbesserungsvorschlag“ wurde dort ausgeführt: „Pünktliche Gehaltszahlungen anstreben“.

In einer anderen war unter der Überschrift „Arbeitsatmosphäre“ angegeben worden, man sei nicht informiert worden, dass man den Monat sein Gehalt nicht bekomme; Fairness gebe es nicht, da einige Angestellte Gehalt bekämen und andere nicht. Unter dem Stichwort „Vorgesetztenverhalten“ war angegeben „Mobbing bei Kündigung“. Unter dem Stichpunkt „Gehalt/Sozialleistungen“ wurde ausgeführt, man habe zeitweise gar kein Geld bekommen und als man das Gespräch suchte, habe es nur 10 % vom Gehalt gegeben. In der Zusammenfassung unter dem Stichwort „contra“ war unter anderem angegeben: „kein pünktliches Gehalt, zeitweise gar kein Gehalt“ und „betriebliche Rentenversicherung abgezogen aber nicht an die Versicherung gegeben“.

Die Antragstellerin ist in Unkenntnis über die Person des Verfassers dieser Beiträge. Sie begehrte gegenüber der Beteiligten Auskunft hierüber und beantragt im vorliegenden Verfahren, der Beteiligten diese Auskunftserteilung zu gestatten. Die behauptete Tatsache, sie habe Mitarbeitergehälter nicht rechtzeitig gezahlt bzw. nicht gezahlt, sei unwahr. Das Gehalt der Mitarbeiter sei regelmäßig und pünktlich gezahlt worden. Die Beteiligte verweigert im Vorfeld die Auskunftserteilung, um durch die Gewährung von Anonymität die Bereitschaft zur freien Äußerung über den jeweiligen Arbeitgeber zu fördern. Die streitgegenständlichen Äußerungen überschritten nicht die Schwelle der strafbaren Ehrverletzung. Zudem genüge die reine Behauptung der Unrichtigkeit der Tatsachenäußerungen nicht.

Das LG hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das OLG den Beschluss des LG teilweise abgeändert.

Die Gründe:
Die Beschwerde ist insoweit begründet, als auch die Auskunft über Bestands- und Nutzungsdaten betreffend der ersten Bewertung gestattet wurde. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verwirklichen die in der zweiten Bewertung vorgenommenen Äußerungen zwar nicht die Tatbestände der üblen Nachrede i.S.d. § 186 StGB und der Verleumdung i.S.d. § 187 Alt. 1, 2 StGB, weil die Antragstellerin als Kapitalgesellschaft und „reines“ Wirtschaftsunternehmen über keine hiernach geschützte „Ehre“ verfügt. Sie erfüllt als solches keine „soziale Funktion“, an die die genannten Tatbestände einen strafrechtlichen Ehrenschutz anknüpfen. Die Äußerungen, die Antragstellerin zahle teilweise kein Gehalt bzw. – wenn Angestellte das Gespräch suchten – nur 10 % des vereinbarten Gehalts, stellen jedoch Tatsachenbehauptungen dar, welche deren Kredit zu gefährden geeignet sind. Dies stellt eine Kreditgefährdung nach § 187 Alt. 3 StGB dar.

Da Schutzgut dieses Tatbestandes nicht die persönliche Ehre, sondern das Vermögen ist, erfasst er auch Tathandlungen, die sich gegen juristische Personen und Wirtschaftsunternehmen richten. Voraussetzung ist insoweit die Eignung der Äußerung, das Vertrauen in die Fähigkeit oder in die Bereitschaft des Betroffenen zur Erfüllung vermögensrechtlicher Verbindlichkeiten zu erschüttern. Diese Eignung besitzen die bezeichneten Äußerungen, die gerade die Behauptung enthalten, die Antragstellerin sei nicht willens oder nicht in der Lage, bestehenden Verpflichtungen zu Gehaltszahlungen nachzukommen.

Insoweit, als die Äußerungen wie dargestellt den Tatbestand der Kreditgefährdung nach § 187 Alt. 3 StGB erfüllen, verletzen sie das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragstellerin und deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, mithin absolut geschützte Rechte i.S.d. § 14 Abs. 3 TMG. Dass diese Rechtsgüter selbst nicht Schutzgüter des bereits das Vermögen als solches schützenden Tatbestandes der Kreditgefährdung sind, ist unerheblich. Einen entsprechenden funktionalen Zusammenhang setzt § 14 Abs. 3 TMG nicht voraus. Die Rechtsverletzung steht zur Überzeugung des Gerichts gem. § 37 Abs. 1 FamFG fest.

Demgegenüber verletzt die erste Bewertung die Antragstellerin nicht in derart schwerwiegender Weise. Der „Verbesserungsvorschlag“, pünktliche Gehaltszahlungen anzustreben, und auch die Äußerungen in der Bewertungsüberschrift stellen keine strafrechtlich relevanten Äußerungen dar. Abgesehen davon, dass das Unternehmenspersönlichkeitsrecht einer Kapitalgesellschaft – wie dargestellt – keinen strafrechtlichen Ehrenschutz genießt, sind die mit dieser „Empfehlung“ implizit verknüpfte und in der Überschrift ausdrücklich herausgestellte Behauptung, Gehalt sei jedenfalls teilweise unpünktlich gezahlt worden, zu unkonkret, als dass dies geeignet wäre, die Antragstellerin verächtlich zu machen, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder ihren Kredit zu gefährden.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.01.2021 13:26
Quelle: Niedersächsisches Landesjustizportal

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