OLG Frankfurt a.M. v. 4.2.2021 - 12 O 240/20 (nicht rechtskräftig)

Zulässige identifizierende Berichterstattung zu "Pick-up-Artist"

Einem Mitglied der Pick-up-Artist-Szene, das bereits selbst seine Zugehörigkeit zu dieser Gruppe öffentlich gemacht hat, stehen keine Unterlassungsansprüche gegen die Herausgeberin einer studentischen Zeitung zu, welche namentlich über das Mitglied als Pick-up-Artist berichtet. 

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist die Studentenschaft einer Universität und Herausgeberin einer Studentenzeitschrift. In dieser Zeitschrift waren im Sommer 2015 zwei Artikel über die „Pick-up-Artists“ (sog. Aufreißkünstler) erschienen. Diese enthielten auch Informationen über den Kläger, insbesondere seinen Namen, seinen Studentenstatus und seine Nebentätigkeit als Coach für die „Pick-up-Art“. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war es an der Universität mehrfach zu Vorfällen gegenüber Studentinnen gekommen, die auf Pick-up-Artisten zurück zu führen waren. In dem Artikel wurde beschrieben, wie die Szene entstanden ist und sich kritisch mit ihren Absichten und Vorgehensweisen auseinandergesetzt. Der Kläger hatte sich selbst mit dem Thema in einem Fernsehbeitrag in 2014 an die Öffentlichkeit begeben. 

Der Kläger hatte die Beklagte auf Unterlassung verklagt. Das LG Frankfurt hatte dem Begehren des Klägers stattgegeben. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein. 

Die Gründe:
Das OLG Frankfurt hat der Berufung stattgegeben und die Entscheidung des LG Frankfurt aufgehoben. 

Zwar ist die Beklagte als Verbreiterin der Zeitung für die Artikel verantwortlich. Ferner greifen die Artikel in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, namentlich die Sozialsphäre, ein. 

Es fehlt jedoch an einem rechtswidrigen Eingriff. Denn die beanstandeten Aussagen sind von der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit der Autoren und Leser gedeckt. Die studentische Zeitung ist ein Diskussionsforum. Durch die Vorfälle an der Universität bestand ein Bedürfnis zum öffentlichen Diskurs. Die angegriffenen Tatsachen entsprachen zudem der Wahrheit, auch wenn sie für die Außendarstellung des Klägers nicht vorteilhaft waren. Er hatte sich zudem selbst schon in der Öffentlichkeit als Mitglied dieser Szene zu erkennen gegeben. Es bestand gerade ein Interesse der Öffentlichkeit, zu erfahren, wie sich Vertreter dieser Gruppe in der Öffentlichkeit darstellen. Zu einer stets anonymen Berichterstattung ist die Presse nicht verpflichtet. Insoweit fällt die gebotene Interessenabwägung zugunsten der Beklagten aus.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.02.2021 11:03
Quelle: Dr. Karolin Nelles LL.M., Kanzlei Schindhelm Frankfurt a.M.

zurück zur vorherigen Seite