OLG Celle v. 19.8.2022 - 5 W 25/22

Online-Verleumdung: Pflicht des Unterlassungsschuldners zur Löschung auch von Links

Eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverfügung gemäß § 890 Abs. 1 ZPO kann auch dadurch verwirklicht sein, dass der Unterlassungsschuldner zwar den ursprünglichen Beitrag löscht, nicht aber eine von ihm vorgenommene Verlinkung auf diesen Beitrag entfernt, wenn sich diesem Link der Kern der zu unterlassenden Äußerung ebenfalls entnehmen lässt.

Der Sachverhalt:
Der Antragsgegner verbreitete auf der Internetplattform „F.“ öffentlich unter der Überschrift „Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin“ einen von ihm selbst verfassten Beitrag. Einen Link auf den Artikel verbreitete der Antragsgegner auch in mehreren F.-Gruppen, in denen die Überschrift des Artikels – „Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin“ – erkennbar ist.

Durch Beschluss des LG wurde der Antragsgegner u.a. verpflichtet, es zu unterlassen, über die Antragstellerin identifizierend zu äußern oder zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, die Antragstellerin sei eine Kinderrechteschänderin. Der Antragsgegner löschte den Beitrag auf der Internetplattform „F.“; die Links in zwei F.-Gruppen waren jedoch noch abrufbar.

Auf Antrag der Antragstellerin verhängte das LG wegen der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung durch die noch abrufbaren Links ein Ordnungsgeld i.H.v. 1.000 € gegen den Antragsgegner.

Das OLG hat die sofortige Beschwerde des Antragsgegners abgewiesen.

Die Gründe:
Für den Verstoß ist unerheblich, dass der Beitrag auf der Plattform „F.“ bereits gelöscht war, da die Links mit dem Wortlaut „Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin?“ selbst einen Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot darstellen. Ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung sind. Insoweit kommt es auf die „Identität des Äußerungskerns“ an (vgl. BGH v. 24.7.2018 - VI ZR 330/17).

Insoweit unterscheidet sich die jetzige Zuwiderhandlung von dem tenorierten Verbot zwar zum einen darin, dass die zu unterlassende Äußerung in Frageform dargestellt ist. Allerdings war diese Frageform bereits Gegenstand des Verfahrens über den Erlass der einstweiligen Verfügung selbst und lag dem Beschluss des LG zugrunde. Gemessen daran ist die nun erfolgte Äußerung sogar identisch mit der vom Antragsgegner zu unterlassenden.

Unerheblich ist auch, dass mit der Versendung des Links auf den (gelöschten) Beitrag nicht mehr der gesamte Inhalt der ursprünglichen Äußerung verbreitet worden ist. Denn dem Link ist gerade die nach dem Tenor der einstweiligen Verfügung zu unterlassende Äußerung (in Frageform, s.o.) – wie im ursprünglichen Beitrag als Überschrift gewählt – zu entnehmen.

Der Einwand des Antragsgegners, die Links seien in den Gruppen chronologisch so weit nach unten angeordnet, dass kein Internetnutzer diesen Artikel gesehen hätte, außer er hätte danach gesucht, verfängt nicht. Das Unterlassungsgebot bezieht sich auf alle zugänglichen Äußerungen des Antragsgegners und erlaubt nicht solche, nach denen gezielt werden muss.

Mehr zum Thema:

Hier geht’s zum Volltext der Entscheidung.

Rechtsprechung:
Zur Prüfpflicht des Betreibers einer Internet-Suchmaschine bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen
BGH vom 24.7.2018 - VI ZR 330/17

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.09.2022 15:58
Quelle: Justiz Niedersachsen online

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