Aktuell in der AfP

Medienstaatsverträge - ein Plädoyer für das Regelungsinstrument der Länder (Natt/Oster, AfP 2023, 393)

Staatsverträge sind eine Form intraföderaler Kooperation, die sich in verschiedenen Regelungsbereichen finden lässt. Am Beispiel der medienrechtlichen Staatsverträge werden in diesem Beitrag die Komplexität, die Auswirkungen auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sowie die Herausforderungen dieses Regelungsinstruments dargestellt.

I. Einleitung
II. Bestandsaufnahme

1. Geschichte der medienrechtlichen Staatsverträge
2. Staatsverträge im Bereich der Bildung
3. Staatsverträge im Bereich des Glücksspielrechts
III. Staatsverträge als intraföderales Kooperationsinstrument
1. Zustandekommen von (medienrechtlichen) Staatsverträgen
2. Voraussetzung für die Wirksamkeit von Staatsverträgen
IV. Auswirkungen auf das Kompetenzgefüge von Bund und Ländern
V. Umgang mit den Herausforderungen und Grenzen staatsvertraglicher Prozesse


I. Einleitung

1
Nach einer Bestandsaufnahme, in welchen Bereichen heute das Instrument des Staatsvertrags als Mittel der Ländergesetzgebung anzutreffen ist (II.), erfolgt eine Darstellung der konkreten Verfahrensschritte und der damit verbundenen Herausforderungen am Beispiel der medienrechtlichen Staatsverträge (III.). Zudem wird der Frage nachgegangen, wie sich Staatsverträge in das Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern einordnen (IV.). Abschließend werden die in der jüngeren Vergangenheit zutage getretenen Herausforderungen und Grenzen staatsvertraglicher Prozesse erörtert und geprüft, wie diesen begegnet werden kann (V.).

II. Bestandsaufnahme
2
Es gibt praktische, politische und verfassungsrechtliche Gründe, die die Notwendigkeit intraföderaler Kooperation begründen. In gewissen Sachbereichen ist sie gefordert, um einheitliche und gleichwertige Verhältnisse in der Bundesrepublik zu schaffen. Dies kann durch den Abschluss von Staatsverträgen erreicht werden, durch die eine sog. Zwischenländerebene entsteht. Staatsverträge gelten bis heute sowohl in der juristischen Ausbildung als auch in der Praxis als Exoten. Und doch ist das Instrument des Staatsvertrags nicht nur im Bereich der Rundfunk- und Telemedienregulierung anzutreffen. Auch bei der Wahrnehmung anderer Länderkompetenzen kommen Staatsverträge zum Einsatz, um im Länderrecht bundeseinheitliche Regelungen zu schaffen – etwa im Bereich des Glücksspiels oder auch im Bildungswesen.

1. Geschichte der medienrechtlichen Staatsverträge
3
Gerade für die Medienregulierung sind Staatsverträge für einen bundeseinheitlichen Rahmen unumgänglich. Medieninhalte machen nicht an Ländergrenzen halt, sie überschreiten diese naturgemäß, so dass es einer kooperativen, staatsvertraglichen Rechtsgrundlage bedarf.

4
Durch die Organisation des Rundfunks sowie die Gründung gemeinsamer Einrichtungen erhielt das Instrument der Staatsverträge bereits früh in der Geschichte der Bundesrepublik erhöhte Aufmerksamkeit. Wegen neuer technischer Möglichkeiten der bundesweiten Ausstrahlung des Rundfunks bemühte sich die Bundesregierung unter dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer um eine Bundeskompetenz im Bereich des Rundfunkwesens. Diese Bemühungen wurden jedoch durch das erste Rundfunkurteil des BVerfG im Februar 1961 beendet. Diese Entscheidung war gleichzeitig Ausgangspunkt für die Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) durch die Länder durch einen gemeinsamen Staatsvertrag im Jahr 1961.

5
Alles begann also mit Staatsverträgen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Einen übergreifenden Staatsvertrag für die in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Deren Zusammenarbeit und die Grundlage für das Programm „Erstes Deutsches Fernsehen“ war bis auf weiteres im ARD-Abkommen von 1959 geregelt. Erst der Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland führte dann – nach der Wiedervereinigung – 1991 zum ersten ARD-Staatsvertrag.

6
Mit Aufkommen des privaten Rundfunks Mitte der 1980er Jahre wuchs auch der Bedarf für einheitliche Regelungen der Ländergemeinschaft für das duale System: der erste Rundfunkstaatsvertrag war 1987 „geboren“. In der Folge bildeten die rundfunkrechtlichen Staatsverträge, unter die etwa auch die Staatsverträge über die Rundfunkfinanzierung, den Jugendmedienschutz, die Rundfunkgebühren- bzw. Rundfunkbeitragsregelungen zu subsumieren sind, die rechtliche Grundlage für das deutsche Rundfunk- und (Tele-)Mediensystem.

7
Eine bis heute einzigartig gebliebene Besonderheit stellt der am 2.10.1990 unterzeichnete Vertrag zwischen den damals elf Ländern der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich zum Europäischen Fernsehkulturkanal („Arte-Staatsvertrag“) dar. Auf deutscher Seite war der Europäische Kulturkanal – auch mit Blick auf die Berechtigung der Bundesländer zum Abschluss eines solchen Vertrags mit einen ausländischen Staat – umstritten und von Anfang an vor allem ein politisches Projekt, das bis heute mit großem Erfolg weitergeführt wird.

8
Ein weiterer Meilenstein ging mit dem 2020 unterzeichneten Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland einher. Mit diesem erfolgte die Umbenennung des Rundfunkstaatsvertrags in Medienstaatsvertrag. Wenngleich Telemedien schon lange...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.11.2023 15:26
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite