EGMR, Beschluss vom 23.04.2019, Az. 37898/17 (Karl-Heinz Grasser gegen Österreich) - rechtskräftig

Zur satirischen Namensverwendung in einem Brettspiel

Auch ein kommerziell vertriebenes Brettspiel kann der Kunstform der Satire unterfallen und somit von der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks geschützt sein.

Der 1969 geborene Beschwerdeführer war von 2000 bis 2007 Finanzminister Österreichs, wo er unter seinen Initialen „KHG“ bekannt ist, die häufig sowohl von den Medien als auch von der allgemeinen Öffentlichkeit verwendet werden. Nach Ende seiner Amtszeit blieb er weiter in den Medien (vor allem der Boulevardpresse) sowohl wegen seiner Heirat mit der bekannten österreichischen Unternehmerin F.S. als auch wegen der andauernden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen seiner möglichen Verstrickung in verschiedenen Korruptionsaffären präsent. Die Ermittlungen sind noch heute Gegenstand verschiedener Medienberichte.

Im Jahr 2015 brachten zwei Unternehmer das Brettspiel “KHG – Korrupte haben Geld” auf den Markt. Dies funktioniert ähnlich wie die deutsche Version von Monopoly mit dem Titel “DKT – Das kaufmännische Talent” und enthält Bezugnahmen auf 35 der “spektakulärsten Korruptionsfälle – mutmaßlich oder abgeurteilt“ in Österreich. Das Spiel enthält ein Heftchen mit Hintergrundinformationen zu diesen 35 Fällen. Eines dieser Fälle betrifft den Beschwerdeführer, der eine der bekanntesten der dort dargestellten Personen ist. Außerdem wird der Name des Antragstellers in dem Heftchen mehrmals erwähnt.

Die dagegen gerichtete Unterlassungsklage des Beschwerdeführers hatte vor den österreichischen Gerichten keinen Erfolg. Die gegen die Klageabweisung gerichtete und auf Artikel 8 EMRK gestützte Beschwerde verwarf der EGMR nun als offensichtlich unbegründet gem. Art. 35 Abs. 3 der Konvention:

Zunächst verwies der EGMR auf die Grundsätze seiner Rechtsprechung in den Fällen Haupt gegen Österreich (Beschluss vom 02. Mai 2017, Az. 55537/10, dort Rn. 28-34 = AfP 2018, 38 ff.), Ernst August von Hannover gegen Deutschland (Urteil vom 19. Februar 2015, Az. 53649/09, dort Rn. 34-35 = AfP 2015, 327 ff.) und Bohlen gegen Deutschland (Urteil ebenfalls vom 19. Februar 2015, Az. 53495/09, dort Rn. 45-49 = AfP 2015, 323 ff.).

In Anwendung dieser Grundsätze befand der EGMR, dass die bloße Nutzung der Initialen des Beschwerdeführers zum Zwecke der Blickfangwerbung für das Brettspiel noch keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte aus Artikel 8 der EMRK darstelle (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), sondern vorliegend die Rechte der Spielhersteller aus Art. 10 EMRK überwögen (Freiheit der Meinungsäußerung).

Auch hätten die nationalen Gerichte keine positive Schutzpflicht aus Artikel 8 der Konvention verletzt: Vielmehr stimmte der EGMR den österreichischen Gerichten zu, dass die Veröffentlichung des Brettspiels das Ziel verfolgt habe, die Öffentlichkeit über die bedeutendsten Korruptionsfälle der letzten Jahre in Österreich zu informieren und in Form einer satirischen Herangehensweise ein Bewusstsein für dieses Problem zu schaffen. Satire sei eine Möglichkeit, schädliches menschliches Verhalten zu kritisieren und aufzudecken sowie dabei Politik in humorvoller Weise zu verspotten – oftmals in der Absicht, sie zum Besseren zu verändern. Sie sei eine Kunstform die – vom Grundsatz her – von der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks geschützt sei. In diesem Kontext pflichtete der Gerichtshof den österreichischen Gerichten ausdrücklich bei, dass das in Rede stehende Brettspiel – auch wenn es ebenfalls einen wirtschaftlichen Zweck verfolgte – als Satire bewertet werden müsse, weshalb die zulässigen Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit nicht überschritten seien.

Anm. d. Red.: Siehe zur allgemeinen Bedeutung der EMKR in Deutschland und ihrer Auslegung durch den EGMR: Haug, AfP 2016, 223 sowie NJW 2018, 2674.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.10.2019 10:34
Quelle: Dr. Thomas Haug, LL.M. (Exeter)

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