OLG Frankfurt a.M. v. 30.1.2020 - 16 U 38/19

Abtreibungsgegner darf keine Verbindung zwischen Bischof von Limburg und Unterstützung der Abtreibungspraxis herstellen

Der Bischof von Limburg hat sich erfolgreich gegen Äußerungen gewendet, wonach er von seiner inneren Haltung her der Abtreibungspraxis Vorschub leisten und diese unterstützen wolle. Er kann von daher von einem Aktivisten der sog. Lebensrechtsbewegung und Abtreibungsgegner die Unterlassung entsprechender Äußerungen verlangen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist römisch-katholischer Geistlicher und Bischof des Bistums Limburg. Im sog. Sternengarten, der auf dem Wiesbadener Friedhof liegt, werden Tod- und Fehlgeburten sowie Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen bestattet. Dies erfolgt in religionsübergreifenden Trauerfeiern des Vereins Sternengarten e.V. Mitarbeiter der katholischen Krankenhausseelsorge des Bistums Limburg beteiligen sich an diesen Trauerfeiern.

Der Beklagte ist Aktivist der sog. Lebensrechtsbewegung und Abtreibungsgegner. Er ist verantwortlich für die Seite kindermord.org. Auf dieser Seite wurden Äußerungen über den Kläger behauptet und verbreitet sowie ein Porträtbild des Klägers im kirchlichen Gewand veröffentlicht. Das Bild befand sich auch auf einem Kleinlaster, der am Tag der Frühjahrskonferenz der deutschen Bischöfe vor dem Tagungshotel geparkt worden war. In einer Sprechblase wurde dem Kläger ein Gebet zum "Verschwinden" von "Kinderleichen" aus "Deutschlands größter Abtreibungsklinik" in den Mund gelegt. Der Kläger wendet sich gegen vier Behauptungen, die ihn im Zusammenhang mit der "Abtreibungsindustrie" setzen und gegen die Verwendung seines großflächigen Porträtbilds.

Das LG gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG nur zu einem geringen Teil Erfolg. Der Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Die Gründe:
Lediglich die Aussage "danach werden die sterblichen Überreste der Opfer unauffällig beiseitegeschafft, um alle Spuren zu verwischen. An diesem Punkt kommt ...(der Kläger) ins Spiel, der Bischof von Limburg", ist zulässig. Es handelt sich hier um eine neutrale Feststellung, die keine Persönlichkeitsverletzung des Klägers beinhaltet. Insbesondere bleibt offen, wie der Kläger "ins Spiel kommt". Die übrigen inkriminierten Äußerungen sind dagegen unzulässig, da sie in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreifen.

Es handelt sich zwar um eine - grundsätzlich zulässige - Meinungsäußerung, dass die Bestattungspraxis auf dem Wiesbadener Südfriedhof nicht im Einklang mit der Auffassung der katholischen Kirche zum Lebensschutz steht. Dieser Meinung steht aber die Auffassung des Bistums gegenüber, dass auch abgetriebenen Föten ein würdiger Ort der Bestattung zu gewähren sei. Dies steht nicht im Widerspruch zum Lebensschutz und soll der Abtreibungspraxis keinen Vorschub leisten, sondern allein Kindern, die nicht zum Leben kamen, eine würdevolle Bestattung ermöglichen. Da diese Auffassung einen besonderen Respekt vor dem Leben zum Ausdruck bringt, enthält die angegriffene Äußerung des Beklagten den unwahren Tatsachenkern, dass der Kläger von seiner inneren Haltung her der Abtreibungspraxis Vorschub leisten und diese unterstützen will. Unwahr ist auch, von einem "heimlichen Verschwinden" zu sprechen. Auf der Homepage des Vereins Sternengarten wird vielmehr offen kommuniziert, dass eine anonyme Bestattung der Föten in würdiger Form und mit Respekt vor dem Leben stattfindet.

Unzulässig sind auch die Aussagen, die dem Kläger unterstellen, dass er "eine Struktur des systematischen Tötens von Menschen und des klammheimlichen Verschwindenlassens ihrer Leichen unterstützt und unterstützen will". Dies ist angesichts der von ihm geäußerten Auffassung von der Notwendigkeit einer würdevollen Beisetzung der Föten gerade nicht der Fall. Der Beklagte kann sich auch nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Dem Kläger wird eine willentliche Unterstützung der Abtreibungspraxis unterstellt, die dieser weit von sich weist, ohne dass der Beklagte gegenteiliges beweisen kann. Zu Unrecht behauptet der Beklagte schließlich, dass das katholische Bezirksbüro Hochtaunus eine Broschüre mit Abtreibungstipps herausgegeben hat. Das diakonische Werk, auf dessen Adresse auf der Homepage des Bezirksbüros verwiesen wird, bietet lediglich eine Beratung mit Erstellung des Beratungsscheins i.S.v. § 219 StGB an.

Schließlich wendet sich der Kläger erfolgreich gegen die Veröffentlichung seines Porträtfotos i.V.m. der Sprechblase. Dabei kann offenbleiben, ob er eine Person der Zeitgeschichte ist. Jedenfalls ist das Foto nicht kontextneutral, da es in Verbindung mit der Sprechblase steht. Die vorzunehmende Abwägung zwischen der Kunstfreiheit des Beklagten (Satire) und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers fällt angesichts der Unwahrheit der mit dem Foto verbundenen Äußerungen zu Gunsten des Klägers aus.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.02.2020 15:51
Quelle: OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 9 vom 30.1.2020

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