VG Hannover, 12.5.2020, 4 B 2369/20

Niedersächsisches Justizministerium muss Erlasse zum Umgang mit der Corona-Epidemie zugänglich machen

In einem Eilverfahren wurde einem Journalisten ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 NUIG in Verbindung mit § 3 Umweltinformationsgesetz (UIG) zugesprochen, Zugang zu den Erlassen des Niedersächsischen Justizministeriums im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie zu erhalten. (nicht rechtskräftig)

Der Sachverhalt:
er Antragsteller ist Journalist. Mit E-Mail vom 14. April 2020 forderte er das Niedersächsische Justizministerium auf, ihm sämtliche Erlasse zu übermitteln, welche gegenüber der Justiz zum Umgang mit der Corona-Epidemie ergangen sind. Dies wurde mit Bescheid vom 17. April 2020 abgelehnt. Der Antragsteller legte daraufhin Widerspruch ein und beantragte am 22. April 2020 den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zugänglichmachung.

Die Gründe:
as Verwaltungsgericht hat dem Begehren des Antragstellers durch Beschluss stattgegeben. Die Erlasse sind als Umweltinformationen im Sinne des UIG anzusehen. Dieser Begriff ist weit zu verstehen und umfasst alle Maßnahmen, die sich auf Umweltfaktoren auswirken können. Das Corona-Virus verbreitet sich vornehmlich durch die Luft über Aerosole (mit Wasser gefüllte Luftpartikel). Die Erlasse beabsichtigen, den Anteil der Aerosole in den Bereichen, in denen sich Bedienstete und/oder Besucher der Justizbehörden aufhalten, zu reduzieren. Es liegt damit auf der Hand, dass die Erlasse den Umweltbestandteil „Luft“ betreffen.

Der Antragsteller hat zudem hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm durch einen Verweis auf den Rechtsschutz in der Hauptsache unwiederbringliche Nachteile drohen, auch wenn die Entscheidung in der Hauptsache hierdurch vorweggenommen wird. Gemäß den Erwägungsgründen der Umweltinformationsrichtlinie, welche dem UIG und NUIG zugrunde liegt, soll der Zugang der Öffentlichkeit sicherstellen, dass Informationen sich rasch verbreiten und ein freier Meinungsaustausch stattfinden kann. Im Hinblick auf die Schnelllebigkeit des öffentlichen Diskurses werden Punkte, wie die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz, das Grundrecht auf Zugang zu den Gerichten, effektiver Rechtsschutz sowie der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen nach rechtskräftigem Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht mehr derart aufgearbeitet werden können wie zum jetzigen Zeitpunkt. In einer Ausnahmesituation, wie sie mit dem Ausbruch des Corona-Virus gegeben ist, kommt aber der Frage nach der Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Justiz und einer möglichen Einflussnahme der Exekutive auf die Judikative besondere Bedeutung zu.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.05.2020 10:50
Quelle: Dr. Karolin Nelles LL.M., Kanzlei Schindhelm Frankfurt am Main

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