BGH v. 14.7.2020 - X ARZ 156/20

Gerichtsstandsbestimmung bei Erweiterung der Klage auf zusätzliche Beklagte

Bei einer Erweiterung der Klage auf zusätzliche Beklagte kann eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich nicht erfolgen, wenn der Kläger von einer bei Klageerhebung bestehenden Möglichkeit zur Wahl eines für alle späteren Beklagten zuständigen Gerichts keinen Gebrauch gemacht hat. Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann aber erfolgen, wenn der Kläger bei Klageerhebung von der Existenz möglicher weiterer Schuldner der Klageforderung keine Kenntnis hatte und diese auch nicht ohne wesentliche Schwierigkeiten ermitteln konnte.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagten vor dem LG Hamburg als Autorin zweier Bücher im Wege einer Stufenklage mit dem Ziel in Anspruch, das ihr aufgrund von Verträgen mit einer in Berlin ansässigen mittlerweile insolventen GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) geschuldete Absatzhonorar zu erhalten.

Die Klägerin hat ihre Klage anfänglich nur gegen die Beklagte zu 1) gerichtet, die ihren Sitz in Hamburg hatte. Nachdem diese in der Klageerwiderung behauptet hat, nicht - wie von der Klägerin geltend gemacht - Rechtsnachfolgerin der Schuldnerin zu sein oder Teile von dieser übernommen zu haben, hat sie ihre Klage auf die in Berlin ansässige Beklagte zu 2) erweitert. Diese war Geschäftsführerin der Schuldnerin. Nach Behauptung der Klägerin hat die Beklagte zu 2) den Eindruck erweckt, die Beklagte zu 1) betreibe die Geschäfte der Schuldnerin unter geänderter Firma mit Sitz in Hamburg fort und die Beklagte zu 2) sei deren Verlagsleiterin.

Die Klägerin hat ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts unbedingt gestellt, nachdem die Beklagte zu 2) die fehlende örtliche Zuständigkeit gerügt und das LG Hamburg diese ggü. der Beklagte zu 2) in einem Hinweisbeschluss verneint hat.

Das Hanseatische OLG Hamburg hielt die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung für gegeben, sah sich an einer solchen Entscheidung aber durch abweichende Beschlüsse des OLG München und des KG gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt.

Der BGH hat nun das LG Hamburg als zuständiges Gericht bestimmt.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Dass zu Beginn des Rechtsstreits für beide Beklagten ein gemeinsamer Gerichtsstand in Berlin bestanden hat, steht einer Gerichtsstandsbestimmung im Streitfall nicht entgegen.

Die Klägerin hätte die Beklagte zu 1) auch in Berlin verklagen können, da dort der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts begründet war. Dies steht einer Gerichtsstandsbestimmung aber nicht entgegen, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung noch keine Veranlassung hatte, ihre Forderung gegen beide Beklagten geltend zu machen.

Bei einer gegen mehrere Streitgenossen gerichteten Klage findet eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich nur dann statt, wenn ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Ob dies auch in der im Streitfall zu beurteilenden Konstellation gilt, ist umstritten.

Der Senat tritt der Ansicht bei, nach der die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands möglich ist, wenn der Kläger bei Klageerhebung keine Kenntnis von der Existenz weiterer Schuldner hatte und eine solche durch gebotene Nachforschungen auch nicht hätte haben können. Die Regelung in § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beruht auf Zweckmäßigkeitserwägungen, insbesondere auf der Überlegung, dass es im Interesse der Parteien liegen kann, wenn der Rechtsstreit durch ein einziges Gericht entschieden wird.

Die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Gerichtsstandsbestimmung bei Vorliegen eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands geht auf die Überlegung zurück, dass eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht notwendig ist, wenn der Kläger von vornherein ein für alle Streitgenossen zuständiges Gericht anrufen kann. Diese Überlegung greift nur dann, wenn der Kläger das für alle Beklagten zuständige Gericht ohne wesentliche Schwierigkeiten ermitteln kann. Dementsprechend lässt der BGH eine Gerichtsstandsbestimmung zu, wenn der Kläger mehrere Streitgenossen bereits im allgemeinen Gerichtsstand verklagt hat, ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand aber nicht zuverlässig feststellbar ist (BGH v. 3.5.2011 - X ARZ 101/11).

Für Fallgestaltungen, in denen die Klage erst nachträglich gegen einen weiteren Beklagten erweitert worden ist, kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Hätte der Kläger im Zeitpunkt der ursprünglichen Klageerhebung bereits Anhaltspunkte dafür gehabt, dass es weitere Schuldner gibt, einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand aber nicht zuverlässig feststellen können, so wäre ein Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung zulässig gewesen. Ein Kläger, der im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht einmal hinreichende Anhaltspunkte für das mögliche Vorhandensein weiterer Schuldner hat, darf nicht schlechter gestellt werden.

Im Streitfall hatte der Kläger nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts im Zeitpunkt der Klageerhebung keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorhandensein möglicher weiterer Schuldner. Die Bekl. zu 2 hatte der Klägerin mitgeteilt, dass sie beschlossen habe, den Verlag umzufirmieren und dieser ab sofort von der Bekl. zu 1 mit Sitz in Hamburg fortgeführt werde. Angesichts dessen konnte und musste die Klägerin nicht davon ausgehen, dass als Schuldner für ihre Honorarforderungen auch die Beklagte zu 2) in Betracht kam. Konkrete Anhaltspunkte dafür ergaben sich erst aus der Klageerwiderung der Beklagte zu 1).

Der Senat bestimmt das LG Hamburg als zuständiges Gericht. Bei der Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stehen die Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit und Prozessökonomie im Vordergrund. Im Regelfall ist ein Gericht am allgemeinen Gerichtsstand eines der beklagten Streitgenossen für zuständig zu erklären. Für die antragsgemäße Bestimmung des LG Hamburg, in dessen Bezirk die Beklagte zu 1) ihren Sitz hat, spricht insofern, dass vor diesem Gericht bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Dem Umstand, dass die Beklagte zu 1) ihre Geschäftsanschrift im Laufe des Verfahrens von Hamburg nach Berlin verlegt hat, kann angesichts dessen keine maßgebende Bedeutung beigemessen werden. Ein Grund, der es für die Beklagte zu 2) unzumutbar erscheinen ließe, den Rechtsstreit in Hamburg zu führen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.08.2020 12:35
Quelle: BGH online

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