Aktuell in der AfP

Äußerungsrechtliche Anforderungen an Presseauskünfte der Staatsanwaltschaft (May, AfP 2020, 369)

Gegenstand dieses Beitrags sind die äußerungsrechtlichen Anforderungen an Presseauskünfte der Staatsanwaltschaft. Er bezweckt im Wesentlichen, die hierzu entwickelte Rechtsprechung unter Einbeziehung jüngster Entscheidungen im Einzelnen darzulegen und die Möglichkeiten eines gerichtlichen Rechtsschutzes aufzuzeigen. Darüber hinaus enthält er einen kurzen Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet.

I. Ausgangssituation

II. Gesetzlicher Rahmen für die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft

III. Grundsätze staatsanwaltlicher Äußerungsbefugnisse in der Rechtsprechung

1. Allgemeine Anforderungen an die Rechtmäßigkeit staatlichen Informationshandelns

2. Grundsätze der Verdachtsberichterstattung

a) Öffentliches Informationsinteresse

b) Mindestbestand an Beweistatsachen

c) Keine Vorverurteilung des Beschuldigten

d) Einholung einer Stellungnahme

IV. Sonstige Abwägungskriterien

V. Gerichtlicher Rechtsschutz gegen rechtswidrige Äußerungen der Staatsanwaltschaft

VI. Aktuelle Entwicklungen und Fazit


I. Ausgangssituation
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Die Freiheit der Presse hat eine schlechthin konstituierende Bedeutung für die Meinungsfreiheit und die freie demokratische Grundordnung. Sie dient der Gewährleistung der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger. Presse und Rundfunk gehören hierbei zu den unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmitteln. Wirft man insoweit einen genaueren Blick auf die Presselandschaft, fällt schnell auf, dass gerade strafrechtliche Ermittlungsverfahren und insb. Strafprozesse regelmäßig einen erheblichen Raum in der medialen Berichterstattung einnehmen, vor allem dann, wenn sie bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zum Gegenstand haben. Als Beispiele lassen sich hierzu der vor einigen Jahren geführte Prozess gegen den Moderator Jörg Kachelmann, das Verfahren gegen den suspendierten Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs oder jüngst das Ermittlungsverfahren gegen den früheren Profifußballer Christoph Metzelder, gegen den nunmehr Anklage erhoben worden ist, anführen. Vor allem in derart medienwirksamen, aber auch in weniger bekannten Prozessen kommt es zwangsläufig zu einer diametralen Kollision unterschiedlicher wie vielseitiger Interessen. So hat einerseits die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an Informationen, welche durch die Presse eingefordert werden. Andererseits hat der jeweilige Beschuldigte bzw. Angeklagte ein Interesse daran, dass seine verfahrensimmanenten Rechte auch im Rahmen der öffentlichen Berichterstattung effektiv gewahrt und entsprechend geschützt werden. Diese gegenläufigen Interessen hat die Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens im Rahmen ihrer Pressearbeit zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass auch die Staatsanwaltschaft ggf. ein eigenes Interesse daran hat, ihre Ermittlungstätigkeit nach außen hin darzustellen bzw. in Umlauf gelangte unrichtige Tatsachen richtigzustellen. Hierbei wird die der Staatsanwaltschaft obliegende Ausbalancierung der gegenseitigen Interessen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens regelmäßig dadurch erschwert, dass die jeweiligen Informationen im Hinblick auf eine aktuelle Berichterstattung zeitnah zur Verfügung gestellt und Entscheidungen über Auskunftsbegehren der Presse rasch getroffen werden müssen.

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Dieser Beitrag soll daher im Kontext der Pressetätigkeit der Staatsanwaltschaft zunächst einen Überblick über die einschlägigen gesetzlichen und binnenrechtlichen Vorschriften verschaffen (II.), darüber hinaus die hierzu entwickelte Rechtsprechung im Einzelnen darlegen (III.) und einige Kriterien für eine Abwägung der eingangs dargelegten unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure aufzeigen (IV.). Ferner soll kurz auf die Möglichkeiten eines gerichtlichen Rechtsschutzes eingegangen werden (V.). Der Beitrag schließt mit einem kurzen Überblick über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der justiziellen Medienarbeit sowie einem Fazit (VI.).

II. Gesetzlicher Rahmen für die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft
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Wie bereits eingangs erläutert, ist die mediale Berichtserstattung im Zusammenhang mit Strafverfahren von einer Kollision unterschiedlicher grundrechtlicher Interessen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten geprägt. Hierbei treffen die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Presse einerseits und das aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht der von der Berichterstattung betroffenen Person andererseits aufeinander. Davon unberücksichtigt bleiben müssen wiederum die Interessen der Staatsanwaltschaft an einer Berichterstattung. Denn diese kann sich aufgrund ihrer aus Art. 1 Abs. 3 GG folgenden Grundrechtsbindung im Verhältnis zu den übrigen Verfahrensbeteiligten nicht selbst auf Grundrechte berufen. Gleichwohl hat die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit die unterschiedlichen Positionen der Verfahrensbeteiligten im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung zu berücksichtigen, um sodann dem Grundrechtskonflikt im Wege der praktischen Konkordanz zu einem angemessenen Ausgleich zu verhelfen. Da Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nahezu immer mit einem Eingriff in die Rechte der betroffenen Person, in der Regel des Beschuldigten, verbunden sind, bedarf es hierzu nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes regelmäßig einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

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Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft ergeben sich insoweit zunächst aus den Landespressegesetzen. Diese statuieren jeweils entsprechende Auskunftsansprüche der Presse gegenüber den öffentlichen Behörden. Dabei soll an dieser Stelle nicht näher auf die umstrittene Frage eingegangen werden, ob es sich bei den Auskunftsansprüchen der Landespressegesetze um eigenständige einfach-gesetzliche Ansprüche handelt oder ob die Landespressegesetze lediglich eine Konkretisierung von unmittelbar aus der Verfassung ableitbaren Informations- und Auskunftsansprüchen darstellen.

So heißt es bspw. in § 4 Abs. 1 LPrG NRW: „Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Informationen zu erteilen."

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Diesbezüglich enthält § 4 Abs. 2 LPrG NRW wiederum einzelne Ausnahmetatbestände, in denen ein Auskunftsanspruch der Presse ausnahmsweise nicht besteht, wenn ...


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.10.2020 10:47
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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