BGH v. 26.1.2021 - VI ZR 437/19

Zur Presseberichterstattung über ehrbeeinträchtigende Äußerungen Dritter

Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen nur in Fällen schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder eine Prangerwirkung zu besorgen ist. Wird allerdings erkennbar lediglich die geäußerte Meinung eines Dritten dokumentiert, so kann dies bei einem entsprechenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit zulässig sein, selbst wenn die Äußerung diffamierenden Charakter hat.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Propst eines Kirchenkreises. Anfang März 2017 hatte die Beklagte zwei Artikel veröffentlicht, in denen auch über den Kläger berichtet wurde. Der Kläger wandte sich sowohl gegen die Wiedergabe verschiedener Äußerungen Dritter in den Artikeln als auch gegen deren Online-Archivierung und verlangte u.a. Unterlassung der Äußerungen

"Mobbing, Intrigen, Widersprüche", "F. berichtet von Kirchenmitarbeitern, die er (der Kläger) systematisch aus ihren Positionen herausgemobbt haben soll, von öffentlichen Beschuldigungen gegen Pastoren, von Intrigen hinter dem Rücken langjähriger engagierter Gemeindemitglieder" sowie "Der Propst geht unwürdig mit Menschen um“.

Das LG hat die Beklagte entsprechend verurteilt. Das OLG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, es zu unterlassen. Auf die Rechtsmittel der Beklagten hat der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Gründe:
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB nicht zu.

Zwar war die Wiedergabe der Äußerungen durch die Beklagte in den Artikeln geeignet, sich auf das berufliche Ansehen des Klägers abträglich auszuwirken. Allerdings war dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht rechtswidrig. Die Schutzinteressen des Klägers überwiegen nicht die schutzwürdigen Belange der Beklagten. Soweit die Berichterstattungen der Beklagten den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers betrafen, handelte es sich um die zulässige Wiedergabe von Meinungsäußerungen Dritter.

Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen.

Die genannten Äußerungen beschränkten sich auch unter Berücksichtigung des Kontextes auf - zudem allgemein gehaltene - Bewertungen, ohne beim Leser zugleich eine Vorstellung von konkreten, damit zusammenhängenden inneren und äußeren Vorgängen hervorzurufen. Der tatsächliche Gehalt der Äußerungen blieb so substanzarm, dass er gegenüber dem Werturteil ganz zurücktrat. Die ehrbeeinträchtigenden Äußerungen betrafen den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre. Die Äußerungen bezogen sich auf seine berufliche Tätigkeit, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht.

Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen nur in Fällen schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder eine Prangerwirkung zu besorgen ist. Wird allerdings erkennbar lediglich die geäußerte Meinung eines Dritten dokumentiert, so kann dies bei einem entsprechenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit zulässig sein, selbst wenn die Äußerung diffamierenden Charakter hat.

Nach diesen Grundsätzen verletzte die Wiedergabe der vom Kläger beanstandeten Meinungsäußerungen in den Berichten der Beklagten den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das rechtlich geschützte Interesse des Klägers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts überwog das sich aus Art. 5 Abs. 1 GG ergebende Interesse der Beklagten an der Berichterstattung nicht. Gegenstand der Berichterstattung der Beklagten sind Spannungen und Vorwürfe innerhalb einer Kirchengemeinde, die bereits längere Zeit andauerten, weite Kreise zogen und in einer Unterschriftenaktion mündeten. Es handelt sich damit um eine aktuelle Auseinandersetzung mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.04.2021 15:05
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite