Aktuell in der AfP

Schutz von Geschäftsgeheimnissen und Handlungsfreiräume für Medien (Hauck, AfP 2021, 193)

Der investigative Journalismus lebt von Informationen. Um die Transparenz staatlichen Handelns zu erhöhen, wurden diverse Informationszugangsansprüche geschaffen. Für Informationen privater Akteure kann auf diese Regelungen freilich nicht zurückgegriffen werden. Vielmehr ist in Bezug auf diese in jüngerer Zeit eher eine gegenteilige Entwicklung zu beobachten, für die das Inkrafttreten des GeschGehG im April 2019 als Symbol angesehen werden kann.

I. Hintergrund
II. Schutz von Geschäftsgeheimnissen – das neue Recht

1. GeschGehG als Stammgesetz
2. Schutzzweck(e) und Auslegungsmaßstab
3. Schutzgegenstand
4. Erlaubte und verbotene Handlungen
a) Unmittelbare Informationsbeschaffung
b) Mittelbare Informationsbeschaffung
5. Ausnahmen
6. Wechselwirkungen
III. Handlungsfreiräume für Medien ...
1. ... wegen des Schutzgegenstands (§ 2 Nr. 1 GeschGehG)
a) Wirtschaftlicher Wert der Information
b) Berechtigtes Geheimhaltungsinteresse
2. ... wegen des Ausnahmetatbestands (§ 5 Nr. 1 GeschGehG)
3. ... wegen der Privilegierung des Whistleblowings (§ 5 Nr. 2 GeschGehG)
IV. Zusammenfassung


I. Hintergrund

1
Auf den ersten Blick scheint der nunmehr neu im GeschGehG geregelte Schutz von Geschäftsgeheimnissen wenig zu tun zu haben mit der Tätigkeit der Medien. Denn der – im Schwerpunkt – zivilrechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist originäres Wirtschaftsrecht. Laut der Gesetzesbegründung und mit Hinweis auf die umzusetzende Richtlinie (EU) 2016/943  geht es im Kern um den Schutz von Unternehmen vor dem „Diebstahl[...] wertvoller Informationen und Kenntnisse aus der Forschung“,  was nicht zum Inhalt journalistischer Tätigkeiten gehört. Schon im Gesetzgebungsprozess wurde aber schnell klar, dass es so einfach nicht ist. Denn der eigentlich schon auf der Zielgerade befindliche Gesetzgebungsprozess (die 1. Lesung im Bundestag war am 18.10.2018 geradezu geräuschlos über die Bühne gegangen) erhielt eine unerwartete Dynamik, als am 11.12.2018 bekannt wurde, dass bereits vor Monaten gegen den Journalisten Oliver Schröm, Chefredakteur beim Recherchenetzwerk Correctiv, ein Ermittlungsverfahren wegen Anstiftung zum Verrat von Geschäftsgeheimnissen eingeleitet worden war.  Dies geschah auf Grundlage von § 17 Abs. 2 UWG (und § 26 StGB), der zu jener Zeit geltenden Vorschrift zum Schutz von – nach § 17 Abs. 1 UWG – „Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis[sen]“. Schröm hatte 2014, gestützt auf Informationen, die er von Whistleblowern erhalten hatte, maßgeblich die sog. Cum-Ex-Aktiendeals Schweizer Banken aufgedeckt.

2
Infolgedessen wurden im Vorfeld der einen Tag später angesetzten Sachverständigenanhörung im federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz die Medien – so hatte man den Eindruck – erstmals auf das Gesetzgebungsverfahren aufmerksam. In der Anhörung wurde die Frage aufgeworfen, ob das neue Gesetz nicht zu einer (zensurähnlichen) Einschränkung journalistischer Tätigkeiten führe.  Als Reaktion darauf wurde der Regierungsentwurf nicht unerheblich umgearbeitet. Auf die unbeschadet dessen zahlreichen Problembereiche, das Verhältnis des Geheimnisschutzes zur Tätigkeit der Medien und insb. die verbliebenen Handlungsspielräume betreffend, wird nachfolgend eingegangen, im Anschluss an eine Darstellung des neuen Rechts zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen einschließlich der denkbaren Wechselwirkungen zur Medientätigkeit. Untersucht wird zudem, wie sich das GeschGehG auf den Schutz journalistischer Quellen (Informanten) auswirkt. Denn auch dieser ist unerlässlich, damit die Medien ihre verfassungsrechtlich verankerte Wächterrolle wirksam ausüben können.

II. Schutz von Geschäftsgeheimnissen – das neue Recht

1. GeschGehG als Stammgesetz

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Dass aufgrund der RL (EU) 2016/943 ein nicht unerheblicher Umsetzungsbedarf bestand und eine Anpassung der bestehenden rechtlichen Regelungen im UWG daher nicht ausreichen würde, um dem Umsetzungsverlangen nachzukommen, wurde schon im Referentenwurf zum GeschGehG klargestellt.  Die Entscheidung für ein neues Stammgesetz wurde damit begründet, (nur) so einen „in sich stimmige[n] Schutz“ von Geschäftsgeheimnissen verwirklichen zu können.  Diese Entscheidung des deutschen Gesetzgebers wurde in der Literatur begrüßt.  Andere Mitgliedsstaaten habe die Richtlinie dagegen in bestehende Gesetze implementiert. So wurde etwa in Österreich das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von 1984 durch Aufnahme der §§ 26a bis 26j UWG (als zivilrechtliche Sonderbestimmungen) im Zuge der UWG-Novelle 2018 entsprechend geändert.

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Für die Schaffung des GeschGehG mit der grundlegenden Neukonzeption des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen sprach in der Tat, dass es sich bei den §§ 17 bis 19 UWG 2004 um nebenstrafrechtliche Normen handelte. Die durch die Richtlinien vorgegebene Zielrichtung – Stärkung des zivilrechtlichen Schutzes von Geschäftsgeheimnissen – hätte daher umfangreiche Modifikationen und Ergänzungen notwendig gemacht, was im Rahmen des UWG leicht als ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.06.2021 16:25
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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