Aktuell in der AfP

Möglichkeiten öffentlicher Förderung von Lokal- und Regionaljournalismus unter Wahrung der Staatsferne (Cornils/Gessinger, AfP 2021, 285)

Der strukturelle Wandel des Journalismus und die daraus entstehenden Probleme für Medien und Gesellschaft werfen die Frage auf, ob und wie der Staat fördernd tätig werden kann. Dabei ist zu erörtern, wie eine solche Förderung aussehen kann, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich insb. aus Art. 5 Abs. 1 GG ergeben, gerecht zu werden. Zudem muss geklärt werden, wem im Bundesstaat die Kompetenz für eine Journalismusförderung zukommt.

I. Ausgangssituation
II. Kompetenz im Bundesstaat
1. Länder
2. Bund
a) Gesetzgebungskompetenz
aa) Förderung auf Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG
bb) Art. 72 Abs. 2 GG – Erforderlichkeit bundesgesetzlicher Regelung?
b) Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz
III. Staatsferne und Neutralität der Förderung
1. Grundrechtliche Rahmenbedingungen
2. Zulässige Förderkriterien
a) Herausgabezweck einer Publikation
b) Distributionsweg
c) Anknüpfung an wirtschaftliche Kennzahlen
d) Regionale und/oder lokale Berichterstattung
e) Mindestanteil redaktioneller und eigenproduzierter Inhalte
3. Vergabeverfahren und Zuständigkeit für die Förderung
4. Gesetzesvorbehalt bei direkter Journalismusförderung
IV. Fazit


I. Ausgangssituation

1
Zustellförderung, Digitalisierungsförderung und Corona-Hilfe – unter diesen Titeln hat der Bund versucht, eine Journalismusförderung auf den Weg zu bringen; er ist allerdings gescheitert.  Grund dafür waren vorwiegend Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Förderung ohne gesetzliche Grundlage und der Ausschluss von rein digitalem Journalismus.

2
Nichtsdestotrotz befinden sich die Publizistik und der Journalismus in einem strukturellen Wandel; Medienanbieter stehen vor der Frage, wie Geschäfts- und Finanzierungsmodelle ausgestaltet sein müssen, um (weiterhin) im Wettbewerb bestehen zu können. Es ist zunehmend schwierig, journalistische Produkte wirtschaftlich tragfähig zu vertreiben, insb. im Lokal- und Regionaljournalismus.  Wenn Marktmechanismen dazu führen, dass Journalismus nur eingeschränkt seiner Aufgabe für die Meinungsbildung der Gesellschaft nachkommen kann, stellt sich die Frage, ob und wie der Staat unterstützend tätig werden kann.

3
Eine staatliche Förderung muss nicht zwingend, wie häufig befürchtet,  mit negativen Effekten für die Pressefreiheit einhergehen. Das zeigt sich bspw. in Norwegen, das zum vierten Mal in Folge die Rangliste für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen anführt und bereits seit geraumer Zeit direkte Journalismusförderung betreibt.  Dennoch werfen Konzepte einer öffentlichen Journalismusförderung eine Reihe von verfassungs-, wettbewerbs- und medienrechtlichen Fragen auf.

4
Mit Blick auf diese Problemstellung sollen im Folgenden einzelne Facetten einer möglichen staatlichen Förderung untersucht werden. Als Voraussetzung werden dabei entsprechend den kommunikationswissenschaftlichen Empfehlungen des diesem Beitrag zugrunde liegenden Gutachtens drei Förderlinien angenommen: eine kriterienbasierte Produktionsunterstützung (in Anknüpfung an Redaktionskosten), ein Innovationsfonds und ein Produktionsprojektfonds.  Es werden die kompetenzrechtlichen Rahmenbedingungen skizziert (II) und vor allem das Gebot der Staatsferne und der (Meinungs-)Neutralität der Vergabe aufgearbeitet (III).

II. Kompetenz im Bundesstaat
5
Die verfassungsrechtlichen Grundsätze und Regeln der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern (Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG) beanspruchen auch für finanzielle Fördermaßnahmen Geltung.  Eine staatliche Förderung ist daher nur auf Grundlage eines verfassungsrechtlichen Kompetenztitels möglich.

1. Länder
6
Eine Journalismusförderung durch die Länder ist kompetenzrechtlich unschwer zu begründen.  Die Zuständigkeiten für die Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzierung liegen für in den Kompetenzbereich des Medienrechts im engeren Sinn fallende Förderungen ausschließlich bei den Ländern. Dazu gehören presse- oder rundfunkspezifische, nicht auch andere Lebensbereiche betreffende Vorschriften, die auf den Schutz und ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.08.2021 17:00
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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