EGMR, Beschluss v. 04. Dezember 2018, Az. 62721/13 und 62741/13

Zur Unzulässigkeit der Fotoveröffentlichung eines Inhaftierten im Gefängnishof

Der EGMR betonte, dass ein Inhaftierter die berechtigte Erwartung habe, nicht im Gefängnishof fotografiert zu werden. (Bild GmbH & Co. KG und Axel Springer AG gegen Deutschland) rechtskräftig

Nachdem am 20. März 2010 der bekannte TV-Wetter-Moderator K. wegen des Verdachts der Vergewaltigung und Körperverletzung zum Nachteil seiner ehemaligen Lebensgefährtin verhaftet worden war, berichtete die Bild-Zeitung am 21. Juli 2010 darüber sowohl in ihrer Print- als auch in ihrer Online-Ausgabe. Dieser Bericht wurde von zwei Fotos begleitet, wovon das eine (hier streitgegenständliche Foto) Herrn K. mit entblößtem Oberkörper und umgeben von anderen Inhaftierten in einem Gefängnishof sitzend zeigte. Am 29. Juli 2010 wurde K. aus der Untersuchungshaft entlassen und letztlich im Rahmen eines von den Medien stark verfolgten Strafverfahrens auch rechtskräftig freigesprochen.

Vom OLG Köln wurden die Beschwerdeführerinnen sowohl zur Unterlassung der weiteren Veröffentlichung als auch zu Schadensersatz im Hinblick auf die entstandenen Rechtsanwaltsgebühren verurteilt (AfP 2012, 178-183). Die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Verfassungsbeschwerden verwarf das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 26. März 2013 ohne weitere Begründung (Az. 1 BvR 712/12 und 715/12).

Nun verwarf auch der EGMR die auf Art. 10 EMRK gestützte Beschwerde nach dem Prozessregime der EMRK als offensichtlich unbegründet (und somit als unzulässig i.S.v. Art. 35 Abs. 3 lit.a), da die deutschen Gerichte einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Recht der Beschwerdeführerinnen auf Meinungsäußerungsfreiheit und dem Recht von K. auf Achtung seines Privatlebens geschaffen hätten:

Die deutschen Gerichte hätten berücksichtigt, dass es sich bei Herrn K. zwar um eine bekannte Person des öffentlichen Lebens gehandelt habe, seien aber zum Schluss gekommen, dass das Foto weder als solches noch im Zusammenhang mit der Textberichterstattung eine über den Textbericht hinausgehende zusätzliche Information und somit keinen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse geleistet hätte. Insbesondere habe das OLG Köln festgestellt, dass die Inhaftierung von Herrn K. der Öffentlichkeit bereits seit einiger Zeit bekannt gewesen sei und kein Anlass bestanden habe, darüber erneut zu berichten. Beachtliches Gewicht hätten die deutschen Gerichte den Umständen beigemessen, unter denen die Bildaufnahme entstanden sei, wobei sie zur Feststellung gelangt seien, dass das Foto heimlich von einem der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglichen Ort aufgenommen worden sei und dass K. sich dabei an einem Ort der Gefangenschaft befunden habe, wo er nicht mit einer Bildaufnahme habe rechnen müssen. Auch sei nach Auffassung der deutschen Gerichte der Umstand, dass K. Gegenstand von Medienberichten war, nicht ausreichend gewesen, um ihm den Schutz seiner Privatsphäre abzusprechen und dabei insbesondere ein Foto zu veröffentlichen, das ihn in einem Gefängnishof zeigt.

Die vom EGMR in ständiger Rechtsprechung (z.B. Couderc und Hachette Filipacchi Associés ("Paris Match") gegen Frankreich, dort § 93 = AfP 2016, S. 413-421) vorgegebenen Abwägungskriterien seien von den deutschen Gerichten berücksichtigt worden: Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, Gegenstand der Berichterstattung, vorausgegangenes Verhalten der betroffenen Person, Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung, die Umstände, unter denen das Foto erlangt wurde, sowie unter dem Blickwinkel von Art. 10 EMRK die Schwere der verhängten Sanktion.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.02.2019 12:39
Quelle: Dr. Thomas Haug, LL.M. (Exeter)

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