Aktuell in der AfP

Urheberrecht in der Plattformökonomie - Haftungsverteilung und Prozeduralisierung im neuen UrhDaG (Möller-Klapperich, AfP 2021, 384)

Das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG), welches am 1.8.2021 in Kraft getreten ist, regelt die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von großen Uploadplattformen, wie YouTube oder Uploaded, für von den Nutzern hochgeladene Inhalte. Der Beitrag behandelt die neuen Regelungen vor dem Hintergrund des Diskurses um die Durchsetzung des Urheberrechts in der Plattformökonomie.

I. Hintergrund
1. Verwertungsmodelle und Interessenlagen
2. Rechtsdurchsetzung auf Internetplattformen
II. Haftung außerhalb des Anwendungsbereichs des UrhDaG
III. Anwendungsbereich des UrhDaG

1. Diensteanbieter
2. Startup-Diensteanbieter und kleine Diensteanbieter
IV. Haftungskonzept
1. Lizenzierungspflicht
2. Blockieren und Filtern von Inhalten
a) Auskunftsrechte der Urheber
b) Ausnahmen
V. Schutz von Plattformnutzern
1. Automatisierte Blockierungsverfahren
2. Maßnahmen gegen Missbrauch
3. Beschwerdeverfahren und außergerichtliche Streitbeilegung
VI. Nutzungsvergütung
1. Direktvergütungsanspruch nach § 4 Abs. 3 UrhDaG
2. Vergütung von durch Schranken erlaubte Nutzung
3. Vergütung mutmaßlich erlaubter Nutzung
VII. Weitere Regelungen
VIII. Fazit


I. Hintergrund

1
Die Plattformökonomie vereint mehrseitige Märkte und die Kommerzialisierung von Kommunikation mit der Undurchsichtigkeit technischer Innovationen. Soziale Netzwerke haben eine außerordentliche wirtschaftliche Bedeutung insb. für die Verwertung geistiger Schöpfungen, welche zu einem immer größer werdenden Teil über das Internet erfolgt, erlangt. Onlineplattformen konkurrieren mit klassischen, analogen Anbietern um die Aufmerksamkeit der Konsumenten und um Werbekunden. Werden Inhalte in sozialen Netzwerken geteilt, handelt es sich jedoch zugleich um einen demokratisch relevanten Kommunikationsprozess. Die Plattformkommunikation birgt allerdings die Gefahr verschiedenster Rechtsverletzungen, von der persönlichkeitsschädigenden Hassrede über die Verbreitung von „Fake News“ bis zur unberechtigten Nutzung fremden geistigen Eigentums mit unüberschaubarem wirtschaftlichen Schaden für betroffene Urheber. Der Gesetzgeber muss deshalb sicherstellen, dass unerlaubte Inhalte unterbunden werden, ohne die Verbreitung erlaubter Inhalte unverhältnismäßig zu beeinträchtigen.

1. Verwertungsmodelle und Interessenlagen
2
Der urheberrechtliche Schutz von Werken, die in sozialen Medien veröffentlicht werden, knüpft, wie im analogen Bereich, an die Schöpfungshöhe an. Die Schranken des Urheberrechts, die die Kommunikationsgrundrechte konkretisieren, gelten auch für die öffentliche Wiedergabe im Internet. Die vorherrschende Art der Werknutzung auf Plattformen wie YouTube, TikTok oder Instagram ist die Interaktion mit fremden Werken im Rahmen von nutzergenerierten Inhalten („user-generated content“), welche zum Teil durch diese Schranken gedeckt ist. Hinzu kommt das Teilen und Kommentieren solcher und anderer Inhalte mit der Folge einer weiteren Verbreitung.

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Wirtschaftliche Wertschöpfung entsteht dabei hauptsächlich durch die Schaffung personalisierter Werbemöglichkeiten. Diese hängt sowohl von dem hochgeladenen Inhalt als auch, aufgrund von Netzwerkeffekten, von der Größe der Plattform, der Bekanntheit eines Nutzers und der Qualität der Datenverarbeitung durch den Plattformbetreiber ab.

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Die Nutzer der Plattform laden selbst generierte oder auf fremden Werken basierende Inhalte auf die Plattform hoch, welche durch den Plattformbetreiber technisch betrieben wird. Dieser wiederum bietet seinen Kunden die Möglichkeit, mit solchen Inhalten zielgruppenoptimiert verbundene Werbung gegen Zahlung eines Entgelts zu schalten und damit den Personenkreis zu erreichen, der die Internetseite des Plattformbetreibers aufgrund des hochgeladenen Inhalts besucht. Der Plattformbetreiber sammelt zugleich Daten über die Besucher der jeweiligen Inhalte und nutzt diese, um sein Angebot zu optimieren.

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Die Plattformnutzer, welche die Inhalte hochladen, werden i.d.R. abhängig von der Menge und Qualität der Inhalte entweder finanziell oder durch erweiterte Nutzungsrechte auf der Plattform an den Einnahmen beteiligt. Für einige Nutzer eröffnet die Plattformnutzung umfassende Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen. Werden allerdings fremde Inhalte unberechtigt oder im Rahmen einer durch eine urheberrechtliche Schranke erlaubten Nutzung hochgeladen, fehlte es den Urhebern bisher an gesicherten Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Rechte. Insb. eine hinreichende Beteiligung am durch die plattformbasierte Nutzung der Werke erzielten Gewinn konnten betroffene Urheber nicht erreichen („value gap“).

2. Rechtsdurchsetzung auf Internetplattformen
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Bei der Durchsetzung von Urheberrechten auf Onlineplattformen kommt dem Plattformbetreiber technisch bedingt eine Schlüsselrolle zu. Aufgrund der Art und Weise der Verbreitung von Inhalten im Internet ist es i.d.R. wenig zielführend, an die Vielzahl einzelner, im Netz zudem anonym auftretender Nutzer heranzutreten und diese ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.11.2021 16:04
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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