OLG Köln v. 2.5.2021 - 6 U 146/20

Veröffentlichung der Stellungnahme des BfR zum Herbizid Glyphosat kein Urheberrechtsverstoß

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat gegenüber dem Online-Portal FragDenStaat. keinen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Veröffentlichung einer Stellungnahme über die Gesundheitsrisiken des Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

Der Sachverhalt:
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem Bundeslandwirtschaftsministerium untersteht, hatte eine sechsseitige Stellungnahme abgegeben, wonach Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" sei. Diese Aussage hatte sie auf ein Gutachten der Internationalen Agentur für Krebsforschung gestützt. Das Online-Portal FragdenStaat hatte diese Stellungnahme vom BfR angefordert und zugesendet bekommen. Der Stellungnahme beigefügt waren generelle Hinweise zum Urheberrecht, die eine Verwendung allein zum Privatgebrauch vorsahen und für die Veröffentlichung ein vorheriges schriftliches Einverständnis des Urhebers vorschrieben.

Das Online-Portal veröffentlichte die Stellungnahme auf seiner Webseite. Nach der Veröffentlichung wurde die Stellungnahme des BfR über eine Allgemeinverfügung im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Das BfR mahnte den Betreiber des Online-Portals daraufhin ab. Einem Antrag im Einstweiligen Rechtsschutz auf Unterlassung der Veröffentlichung gab das LG Köln zunächst statt (Beschluss vom 19.3.2019, 14 O 86/19), hob die Einstweilige Verfügung mit Urteil vom 4.7.2019 jedoch wieder auf. Auch in der Hauptsache lehnte das LG Köln die Unterlassungsklage ab (Urteil vom 12.11.2020, 14 O 163/19). Das BfR verfolgte sein Anliegen in der Berufung weiter. 

Die Gründe:
Das OLG Köln hat die Berufung zurückgewiesen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG zu. Denn der Kläger handelte nicht rechtswidrig.

Das Gericht ist der Ansicht, dass es sich bei der Stellungnahme mit der Veröffentlichung der Allgemeinverfügung im Bundesanzeiger um ein sonstiges amtliches Werk im Sinne des § 5 Abs. 2 UrhG handelt, das keinen Urheberrechtsschutz mehr genießt. Insbesondere besteht ein besonderes Verbreitungsinteresse der Öffentlichkeit, da es um die Abwehr von Gefahren geht. Dass die Allgemeinverfügung erst nach Einstellung auf der Webseite des Beklagten erfolgte, ist unbeachtlich. Denn in jedem Fall ist dadurch die Wiederholungsgefahr entfallen.

Der Beklagte kann sich zudem auf die Schranke nach § 50 UrhG berufen. Durch die Berichterstattung des Beklagten werden Informationen über ein Tagesgeschehen veröffentlicht. Die Stellungnahme wurde redaktionell durch den Beklagten in eine kritische Berichterstattung eingebettet. Auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit wurde eingehalten. Das vom Urheberpersönlichkeitsrecht geschützte Interesse an einer Geheimhaltung des Inhalts der Stellungnahme erlangt im Rahmen der vorliegenden Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht. Die Abwägung der Grundrechte führt zu einem Vorrang der Presse- und Meinungsfreiheit.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.06.2021 13:49
Quelle: Dr. Karolin Nelles LL.M., Kanzlei Schindhelm Frankfurt a.M.

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