Nachrichten


LG Berlin v. 27.9.2023 - 15 O 296/18
Das LG Berlin hat in erster Instanz dem Zahlungsbegehren einer Drehbuchautorin gegen die Produktionsfirma der Filme „Keinohrhasen“ (Kinostart 2007) und „Zweiohrküken“ (Kinostart 2009) sowie gegen einen Film- und Medienkonzern im Hinblick auf die Verwertungserträge dieser Filme dem Grunde nach stattgegeben. Allerdings sind die Ansprüche der Autorin ganz überwiegend verjährt.

LG Dortmund v. 1.9.2023 - 17 O 11/23
Dass „Wegsperren“ im Sinne eines Fernhaltens von Kindergärten zu verstehen sei, ist völlig abwegig. Die politische Botschaft, dass Drag Queens nichts in Kindergärten verloren haben, ist auch zu vertreten, ohne das „Wegsperren übergriffiger Transen“ auf Instagram zu fordern. Der fliegende Gerichtsstand gilt grundsätzlich auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet.

ArbG Berlin v. 20.9.2023 - 22 Ca 13070/22
Das ArbG Berlin hat die Klage der Juristischen Direktorin des RBB gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses abgewiesen. Der zuletzt abgeschlossene Dienstvertrag sei bereits wegen der darin enthaltenen Regelungen zu einem nachvertraglichen Ruhegeld vor Renteneintritt nichtig. Aber auch die vorsorglich ausgesprochene außerordentliche Kündigung sah das ArbG gleich aus mehreren Gründen als wirksam an.

EGMR v. 18.07.2023 – 23782/20 u. 40731/20
Gefangene haben das Recht, in Haft weiterhin Informationen und Ideen zu erhalten. Jede Einschränkung dieses Rechts muss einem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis entsprechen.

EGMR v. 29.08.2023 – 25276/15
Der russische Staat ist für einen gewaltsamen Angriff von Kosaken auf Mitglieder der feministischen Punkband Pussy Riot direkt verantwortlich.

Aktuell in der AfP
Der journalistische Grundsatz: „Sagen, was ist“, ist im Metaversum in Gefahr, denn es ist in einer virtuellen Welt nur schwer festzustellen und nicht leicht zu „sagen, was ist“. Nach einer kurzen Einleitung und Definition von Journalismus (I.1.) – wichtig für das, was „[s]agen“ meint – und was „das Metaversum“ (I.2.) mal werden mag – wichtig für das, „was ist“ – versucht dieser Beitrag, die verschiedenen Konstellationen (I.3.) und die noch nicht vorhandenen Regelungen für ein noch nicht existierendes Medienphänomen zu beschreiben (II.), um so ein Medienrecht im Metaversum zu skizzieren.

BVerfG v. 31.8.2023 - 1 BvR 1601/23 u.a.
Das BVerfG hat zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die fachgerichtliche Untersagung einer Online-Berichterstattung richten. Die mit ihnen verbundenen Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen werden damit gegenstandslos.

BGH v. 14.9.2023 - I ZR 74/22
Der BGH hat dem EuGH vorliegend Fragen zur Klärung des urheberrechtlichen Begriffs des Pastiches vorgelegt (Metall auf Metall V). Die Vorlage betrifft den seit annähernd 20 Jahren andauernden Rechtsstreit, mit dem Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk" gegen die Verwendung einer gesampelten zwei Sekunden langen Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" in dem Titel "Nur mir" der Sängerin Sabrina Setlur vorgehen.

BGH v. 1.8.2023 - VI ZR 308/21
Entsprechend der Regelung in § 555 Abs. 3 ZPO für das Anerkenntnisurteil ergeht ein Verzichtsurteil in der Revisionsinstanz nur auf gesonderten Antrag des Beklagten. Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Fernliegende Deutungen sind auszuschließen.

OLG Hamm v. 15.8.2023 - 7 U 19/23
Das OLG Hamm hat ein erstes Urteil zu den sog. Facebook-Scraping-Fällen gesprochen und eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) abgewiesen. Nach dem Urteil liegen zwar Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, einen immateriellen Schaden konnte die Klägerin jedoch nicht ausreichend darlegen.

BVerfG v. 25.8.2023 - 1 BvR 1612/23
Eine Verfassungsbeschwerde kann ausnahmsweise unmittelbar gegen eine einstweilige Verfügung selbst erhoben werden, wenn zwar andere Rechtsverletzungen fachgerichtlich angegriffen werden können, die Rügen der Verfassungsbeschwerde sich aber auf eine Rechtsverletzung unmittelbar durch die Handhabung des Prozessrechts im Verfahren über den Erlass der einstweiligen Verfügung selbst richten. Das BVerfG hat dies wiederholt angenommen, wenn sich der Beschwerdeführer gegen ein seinem Vorbringen nach bewusstes und systematisches Übergehen seiner prozessualen Rechte wendet. Beinhaltet die unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit gerügte Rechtsverletzung demgegenüber ausschließlich einen fachgerichtlich angreifbaren Verfahrensfehler, verbleibt es bei der vorrangigen Zuständigkeit der Fachgerichte.

ArbG Berlin v. 1.9.2023 - 21 Ca 1751/23
Das ArbG hat die Klage des Verwaltungsdirektors des RBB gegen die Beendigung seines Dienstverhältnisses zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts ist der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag aufgrund der überaus üppigen Regelungen zum nachvertraglichen Ruhegeld sittenwidrig und daher nichtig.

BGH v. 20.6.2023 - VI ZR 262/21
Für eine identifizierende Verdachtsberichterstattung ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen, erforderlich. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.

VG Düsseldorf v. 24.8.2023 - 29 K 329/21
Das Justizministerium NRW muss keinen Informationszugang zu Berichten der Staatsanwaltschaften in Ermittlungsverfahren zu “Cum-Ex“-Transaktionen der WestLB AG und der Bearbeitung dieser Berichte im Justizministerium gewähren.

LG Hamburg v. 15.8.2023 - 324 O 256/23
Im Ausgangspunkt war dabei zu Gunsten der Antragsgegnerin einzustellen, dass ihre wertende Schlussfolgerung als Meinungsäußerung weitgehenden Schutz nach Art. 5 Abs. 1 GG genießt. Demgegenüber beeinträchtigt die Äußerung, wonach die Antragsgegnerin auf einem R.-Konzert unter Drogen gesetzt worden sei, zwar in nicht unerheblicher Weise das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers. Gleichwohl ist dieser lediglich in seiner beruflichen Sphäre betroffen.

LG Bonn v. 28.6.2023 - 1 O 79/21
Ein Großteil der auf dem Nationalen Gesundheitsportal des Bundes eingestellten Artikel überschreitet die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns. Um seinen staatlichen Aufgaben und Fürsorgepflichten gegenüber den Bürgern gerecht zu werden, bedarf es eines solchen Portals des Bundes nicht. Für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht bedarf es einer nicht lediglich entfernt liegende Möglichkeit eines Schadens, d.h. auf Grund des festgestellten Sachverhalts muss der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich erscheinen.

EGMR v. 18.7.2023 - 44033/17
Nur die Veröffentlichung von Fotos der Beschwerdeführerinnen auf der Webseite des Innenministeriums verstößt gegen die Konvention, nicht jedoch der Abdruck von Fotos in den Medien. (D.H. gegen Nordmazedonien)

EGMR v. 6.7.2023 - 21181/19 und 51751/20
Die von den polnischen Behörden ergriffenen Maßnahmen können als eine Strategie bezeichnet werden, die darauf abzielte, einen Richter wegen seiner Ansichten einzuschüchtern oder sogar zum Schweigen zu bringen. (Tuleya gegen Polen)

Die Anwaltskanzlei des Sängers der Band Rammstein hat einen Unterlassungsverfügungsantrag gegen die Kampagnen-Plattform Campact zurückgenommen. Sie hatte sich gegen Formulierungen in einer Petition gerichtet, die gefordert hatte, Rammstein-Konzerte in Berlin zu streichen.

Aktuell in der AfP
Ergänzung des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgrund neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung und Konsequenzen für den Anonymitätsgrundsatz in der Verdachtsberichterstattung

Der Künast-Beschluss des BVerfG hat nicht nur Auswirkungen auf die Einordnung von Hassäußerungen. Er ist auf andere äußerungsrechtliche Fragestellungen zu transformieren und verändert die Gewichtung im Abwägungsprozess zwischen Medienfreiheiten und Persönlichkeitsrecht zum Schutz von gesellschaftlich hervorgehobenem Engagement. Dies gilt insb. für die Frage der Zulässigkeit einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung.