LG Erfurt, 25.06.2021, 10 O 1192/19

Behauptung zur Herkunft eines unbekannten Autors aus der rechten Szene bloße politische Meinungsäußerung

Im politischen Meinungskampf ist eine Äußerung, nach der in einem anderen politischen Lager nach einem vom Verfassungsschutz beobachteten unter Pseudonym agierendem Autor zu suchen sei, eine zulässige Meinungsäußerung.

Der Sachverhalt

Der Beklagte ist ein bekannter Politiker. Er hatte im August 2019 ein sogenanntes Sommerinterview gegeben. Hierin ging es auch um Artikel eines Verfassers, die unter dem Pseudonym in „Landolf Ladig“ in einer NPD-nahen, als rechtsextrem geltenden Zeitschrift veröffentlicht wurden. Der Tätigkeiten dieses Autors werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Ein Zuhörer wollte von dem Beklagten wissen, ob er „Landolf Ladig“ sei. Der Beklagte behauptete daraufhin in dem Interview mit ironischem Unterton, dass Landolf Ladig aus einer Kirchengemeinde in Jena stamme. Er habe „aus zuverlässiger Quelle“ gehört, „dass dort der Geburtsort von Landolf Ladig“ sei.

Die genau benannte Kirchengemeinde verklagte den Beklagten daraufhin auf Unterlassung.

Die Gründe

Das LG Erfurt hat die Unterlassungsklage abgewiesen:

Eine Rechtsverletzung sei nur dann gegeben, wenn es sich bei der Äußerung des Beklagten um eine unwahre Tatsachenbehauptung handeln würde. Nach der Auffassung des Gerichts ist dies nicht der Fall, sondern es handelt sich lediglich um eine Äußerung im politischen Meinungskampf.

Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist.

Der politische Meinungskampf steht unter dem besonderen Schutz des Art. 5 Absatz I GG: Insoweit sind auch überspitzte, polemische Formulierungen hinzunehmen. Dies gilt auch auf die Gefahr hin, dass Zuhörer oder Betroffene den Stellenwert solcher Polemik falsch einschätzen.

In der vorliegenden Interviewsituation ging es dem Beklagten darum, den Ball zurückzuspielen und die konkrete Frage, ob er Landolf Ladig sei, unbeantwortet zu lassen. Das ironische Lächeln des Beklagten und der Bezug auf eine zuverlässige Quelle sind weitere Indizien dafür, dass der Beklagte lediglich ein Werturteil treffen und keine konkrete Behauptung im Hinblick auf die Klägerin aufstellen wollte.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.07.2021 12:56
Quelle: Dr. Karolin Nelles LL.M., Kanzlei Schindhelm Frankfurt am Main

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